Le Mans 1970:
Porsche gewinnt letztendlich – viele Ausfälle in einem nassen, äußerst strapaziösen Rennen!


Von Simon Taylor und Patrick McNally
(in der Zeitschrift “Autosport“ vom 18.Juni 1970)
Übersetzung: Matthias Pohl


Nachdem es so viele Anläufe bedurfte, brachte Porsche endlich seinen ersten Gesamtsieg der 24 Stunden von Le Mans am vergangenen Wochenende nach Hause, als der Porsche 917 K des Salzburg-Teams mit den Fahrern Richard Attwood/Hans Herrmann das Rennen als erste beendete, fünf Runden vor dem Langheck-917 von Gerard Larrousse/Willi Kauhsen. Um Porsche's Sieg zu komplettieren, wurde der 908 Spider von Rudi Lins/Helmut Marko dritter und gewann die Gruppe-6-Kategorie und der Porsche 914/6 erzielte sein erstes wichtiges Resultat mit Claude Ballot-Lena/Guy Chasseuil als 6. der Gesamtwertung und dem Sieg in der GT-Kategorie.

Mehr denn je war Le Mans in diesem Jahr ein Abnutzungsrennen. Nur zwei der sieben eingetragenen 917 beendeten das Rennen. Zwei Gulf-JW-Autos fielen mit Motorschaden aus, das Siffert/Redman-Auto während einer bequemen Führung und das dritte nach einem Unfall. Neun der 11 Ferrari 512 S fielen vor der Halbzeit des Rennens aus: Der Ickx/Schetty Werkswagen, der in Führung kam, als Jo Siffert ausfiel, kam im strömenden Regen von der Straße ab und einen tötete einen Marshal. Vier weitere 512 S wurden in einer Massenkarambolage eliminiert und ein weiterer der schnellen Ferraris zersägte nach der ersten halben Stunde seinen Motor. Alle Werks-Matras und Alfa Romeos konnten das Rennen nicht beenden. Schwere Unwetter, welche die Straße vollständig überschwemmten, waren für viele der Unfälle verantwortlich. Jedoch stellte Vic Elford während einer trockenen Periode mit seinem Langheck-Salzburg-Porsche einen neuen Rundenrekord mit 241,4 Km/h auf. Mit dem Ausfall des schnellsten Autos und den schlechten Wetterbedingungen war der Renndurchschnitt weit davon entfernt, eine neue Rekordmarke zu setzen.

 
Der Start zum Le Mans-Rennen 1970


DIE NENNUNGEN


Die 24 Stunden von Le Mans, das berühmteste Rennen der Welt, war fast immer ein Kampf zwischen zwei Herstellern: Jaguar und Mercedes-Benz, Jaguar und Ferrari, Ferrari und Ford, Ford und Porsche. Dies traf einmal mehr für das 1970er Rennen zu. Der frisch gekrönte Sportwagenweltmeister Porsche traf im wichtigsten Rennen auf die kürzlich verjüngte Ferrari-Mannschaft. Niemand weiß es besser als Porsche, dass es in den Augen der Öffentlichkeit mehr zählt, das 24 Stunden-Rennen von Le Mans zu gewinnen als den Sportwagenweltmeistertitel an sich in den Händen zu halten – wie es bereits 1969 bewiesen wurde, als Porsche bereits die Meisterschaft gewonnen hatte, aber in Le Mans so dramatisch durch einen John-Wyer-Ford GT 40 in Le Mans geschlagen wurde!
Tatsächlich stand dieses Jahr sogar noch mehr auf dem Spiel, für Zuffenhausen und für Maranello. Porsche kam erstmals 1951 mit einem 1100 ccm Coupé nach Le Mans und gewann seine Kategorie. Seitdem waren sie beständige Klassensieger, aber ein Gesamtsieg war ihnen bisher nicht vergönnt. Trotz verstärkter Ausweitung der werksmäßigen Renneinsätze im vergangenen Jahr konnte Porsche dieses eine wichtige Rennen noch nie für sich entscheiden.
Was Ferrari anbetrifft, trotz der großen finanziellen Unterstützung von Fiat und des neu entwickelten Autos, das zum alleinigen Zweck gebaut und homologiert wurde, die Porsche 917 zu schlagen, gab es abgesehen von einem Glückstreffer in Sebring 1970 nur wenig Erfolg.

Auch in der Formel 1 lief es für Ferrari alles andere als gut und noch nie brauchten die Italiener einen Sieg so dringend, um ihre Moral und ihr Image in der Öffentlichkeit aufzubessern – und das ganz besonders in einem Rennen, das sie sechs Mal im voran gegangenen Jahrzehnt gewonnen hatten. In Zahlen ausgedrückt war es diesmal 11 Ferrari 512 S gegen acht Porsche 917. Aber alle 917 waren vom John-Wyer-Gulf-Team oder werksseitig vorbereitet, während die Ferraris völlig unterschiedlich waren, vom neuesten Werks-Coupé mit leichter Langheck-Karosserie bis zu den privat eingesetzten Rennwagen der Scuderia Picchio Rosso und des Georg Loos-Teams.


DIE PORSCHE

Das von der Öl-Firma GULF gesponsorte JW Automotive Team, Gewinner der letzten beiden Le Mans-Rennen für FORD, brachte drei 917er Porsche, die mit der für den Kundensport entwickelten Kurzheck-Karosserie ausgerüstet waren. John Wyer folgte auch hier seiner üblichen Politik, nur ausreichend getestetes Material zu verwenden. Wyer entschied, nicht mit der Langheck-Karosse wie die Werks-Porsche anzutreten, welche die Zuffenhausener speziell für dieses Rennen entwickelt hatten. Zwei seiner Autos mussten aufgrund privater Tests in Deutschland abgeschrieben werden, sie waren instabil in lang gezogenen, schnellen Kurven und neigten zu Aquaplaning unter nassen Verhältnissen. Obwohl sie auf der Geraden und in langsamen Kurven recht gut arbeiteten, nahm Wyer seine drei Autos mit zum MIRA Windkanal. Als Resultat dieser Test bekamen sie einen kleinen Flügel in der mittigen Vertiefung der hinteren Karosserie hinzugefügt, was einen höheren Abtrieb bei geringerer Spoilertiefe mit konsequentem aerodynamischem Vorteil brachte.


Die drei Porsche 917 K des John Wyer-GULF-Teams (JW)
 
Die Autos von Jo Siffert/Brian Redman und Pedro Rodriguez/Leo "Leksa" Kinnunen, 917/004 und 917/016, waren beide mit 5-Liter-Maschinen ausgerüstet, während das dritte Auto, in der Paarung David Hobbs/Mike Hailwood, ein weniger leistungsfähiges, aber standfestes 4.5-Liter-Triebwerk hatte. Dieses war im 917/026 nagelneu. Ein Vergleich zwischen den JW-Autos und den Salzburg-Wagen offenbarte sofort jene Art der Detailarbeit, die ein John Wyer-Auto auszeichnete. Während der laufenden Saison wurden in die JW Autos getrennte Ölleitungen verbaut, wohingegen die ursprüngliche Auslegung der Ölleitungen im Chassis das Fahrercockpit zu sehr aufheizte. Auch im Interesse einer geringeren Ermüdung des Fahrers wurden zusätzliche Kaltluftdüsen eingebaut.

Zwei Batterien, zwei Wechselstromerzeuger und ein größerer Startermotor, der speziell von Bosch entwickelt wurde, brachte eine größere Zuverlässigkeit der Elektrik. Schnellwechsel-Scheinwerfer wurden eingebaut und die vorderen Flügel bekamen kleine Aluminium-Rahmen und verstärkte Beplankungen des Steinschlagschutzes, nachdem sich in Daytona Karosserieschwächen gezeigt hatten.

Die Verriegelung zum der unbeabsichtigten Einlegen des ersten Ganges war geändert worden, damit der erste Gang – wenn notwendig - leicht eingelegt werden konnte. Die sehr harten Fahrwerksfedern, die aus sich verjüngendem Titanstreifen gebildet wurden, übernahm man von der Daytona-Konfiguration. Dort waren sie nötig, um mit den G-Kräften auf den überhöhten Kurven fertig zu werden, sie erwiesen sich aber als ideal auch für andere Rennstrecken. Für ein stärkeres Untersteuern vergrößerte man den Durchmesser der vorderen Stabilisatoren und verringerte gleichzeitig den Durchmesser der hinteren Stabilisatoren.

Nach Kinnunen's Getriebeausfall in Spa ließ Porsche eine neue Achse mit einem kleineren Ölkanal einbauen, die man aus einem besseren Material herstellte. So wurden auch die Zahnräder für den ersten und den zweiten Gang neu gefertigt, sie wurden nicht unter Ölschmierung gedreht, um ihre Standfestigkeit zu erhöhen. Diese Zahnräder wurden dann ausschließlich in den stärkeren 5-Liter-Autos verwendet, nachdem man nach Spa kleine Späne der Zahnräder der alten Bauart im Getriebeöl der 5-Liter-Autos fand.

Ein Wechsel in der Saison von ATE- zu Girling-Bremsen bedingte, dass die Girling-Bremsen nicht in die Halterungen der hinteren Senkrechte passten. Somit fertigte Porsche selbst spezielle Alu-Halteklammern, um die Girling-Bremssattel in der Senkrechten anzupassen. Sie nahmen gleichzeitig die Gelegenheit wahr, Halterungen für die Bremssattel unterschiedlicher Größen herzustellen, damit für dieses bestimmte Rennen stärkere Bremsbeläge benutzt werden konnten. Den Wyer-Fahrern wurden eine Begrenzung von 8400 U/min für dieses Rennen auferlegt, 500 U/min niedriger als üblich.

Die Getriebe- und Bremsenmodifikationen wurden selbstverständlich auch in den drei 917ern von Porsche Konstruktionen Salzburg KG verwendet, aber anders als JW brachte dieses Team einen stromlinienförmigen Langheck-Wagen (917/042). Dieser neue Rennwagen plus der blau-weiße Kurzheck-Porsche (917/020) hatten 5-Liter-Triebwerke, während der dritte (917/023), orangerote 917er mit dem 4,5-Liter-Motor bestückt war. Die Top-Paarung bei Salzburg KG, Vic Elford/Kurt Ahrens, konnte zwischen den beiden 5-Liter-Autos wählen, beide hatten die Langheck-Variante in Hockenheim und Wolfsburg getestet, wollten aber ihre Entscheidung aufschieben, bis sie gesehen hatten, wie sie sich ihr Auto auf der Mulsanne-Geraden anfühlte. Ein Resultat der Tests in Deutschland war der Einbau eines horizontalen Flügels über dem Heck, der zwischen den zwei vertikalen Flossen eingepasst wurde.

 
Porsche 917 Langheck (Vic Elford/Kurt Ahrens)   

Im orangeroten Auto waren Richard Attwood/Hans Herrmann bemüht, den 5-Liter-Kurzheck-Porsche als eine offizielle Nennung von Porsches Sportdirektor Rico Steinemann zu qualifizieren, der sich Ende 1968 vom Rennen zurückzog, um seinen Job bei Porsche aufzunehmen, ebenso wie sein alter Schweizer Mannschaftskamerad Dieter Spoerry (der ohnehin in Le Mans war, um einen der Martinis 908 Spyders zu fahren). Rico musste mit seiner Frau telefonieren, um herauszufinden, ob sie alle seine alten Rennoveralls weg gegeben hatte. Aber sie fand tatsächlich noch ein paar ein paar, obgleich diese Rico ein wenig zu stramm saßen! Der Porsche-Computer gab die Information, dass das Langheck-Auto für 380 Km/h übersetzt werden sollte, aber der Computer hatte nicht die Menge von Energie in Betracht gezogen, die durch die Reifen bei diesen Geschwindigkeiten absorbiert werden sollte!

 
Porsche 917 K (Richard Attwood/Hans Hermann)    

Ein zweites Langheck-Auto, 917/043, fröhlich bemalt in einem blau-grünen, psychedelischen Farbmuster wurde von Hans-Hans-Dieter Dechent's Martini-gesponsorter Mannschaft für Gérard Larrousse/Willi Kauhsen gemeldet. Alle 917er verwendeten nur vier ihrer fünf Gänge, zufällig mit Ausnahme der beiden Langheck-Versionen. Der achte 917 war die Chassis-Nummer 021, das Auto vom Finnen Aarnio Wihuri, jener gelb-rote 917, den Gijs van Lennep und Hans Laine bereits in Monza und in Spa gefahren hatten. Wihuri übernahm David Piper's Nennung und Piper selbst teilte sich das Cockpit mit van Lennep. Im eigenen Interesse – oder eher um die eigenen Wetten abzusichern - hatte Porsche diese beiden Autos selbst vorbereitet.


Porsche 917 Langheck (Gérard Larousse/Willi Kauhsen)



Porsche 917 K (David Piper/Gijs van Lennep)     


DIE FERRARI


In erster Linie traten gegen die Porsche-Armada die vier Werks-Ferrari 512 S Coupé an. Diese waren alle identisch, allesamt jedoch keine neuen Autos, zwei von ihnen hatten Spa und zwei Monza absolviert, alle jedoch wiesen die neue Langheck-Verkleidung mit vertikalen Finnen auf, wie sie während der Test in Le Mans im April und anschließend in Monza eingeführt wurden. Mauro Foghieri ließ keine Veränderungen in früher statt findenden Rennen zu, mit Ausnahme der sorgsam aufgebauten Triebwerke für dieses Rennen, die ausgetüftelte Veränderungen der Nockenwellenprofile, der Einspritzdüsen und der Auspuffkrümmer kennzeichneten, obgleich das V12-Aggregat noch nicht mehr als 588 PS produzierte.

Mit Chris Amon, der dem CanAm-March in Canada seinen Einstand gab und John Surtees, der Ferrari’s Bitte, dieses Rennen zu fahren abschlug, war das tänzelnde Pferd erneut Porsche gegenüber unterlegen, was die Schlagkraft auf der Fahrerseite anbelangte. Lediglich Jacky Ickx, dessen Schmerzen nach dem Treibstoffleck im GP von Belgien die alten Jarama-Wunden verschlimmerten, spielte in der selben Liga wie Siffert, Redman, Rodriguez und Elford, obwohl auch Nino Vaccarella als sehr erfahren bezeichnet werden darf. Der ernste Schweizer Peter Schetty bildete die Paarung mit Jacky Ickx im 512/1038m, während der sich ständig verbessernde und sehr schnelle Ignazio Giunti mit Vaccarella im 512/1044 die wohl ausgeglichendste Paarung im Team bildete. Ihren Mangel an Erfahrung und Fähigkeit mit Tapferkeit und Optimismus ausgleichend, saßen Arturo Merzario/Clay Regazzoni im 512/1034, während im vierten Auto, dem 512/1026, zwei der kommenden Rennsporttalente platziert wurden, Ronnie Peterson und Derek Bell. Bell wurde erst relativ spät dem Team hinzu gefügt, er erwarb sich seinen Platz im Cockpit, weil er den ENB Ferrari in Spa - sein erster Sportwageneinsatz seit seinen Clubsport-Einsätzen in einem Lotos 7 – hervorragend bewegte, während Peterson es hin bekam, sein belgisches Gefängnis rechtzeitig zu verlassen, um zu trainieren, nachdem er ein wenig Ärger mit der Gendarmerie nach dem Grand Prix in Spa hatte!


Ferrari 512 S (Jackie Ickx/Peter Schetty)

Die Scuderia Fillipinetti meldete offiziell drei 512 S Ferraris, obgleich einer von diesen tatsächlich das Standard Scuderia Picchio Rosso Coupé von Corrado Manfredini/Gianpiero Moretti (512/1032) war. Die beiden“ echten“ Fillipinetti Autos hatten beide die Langheck-Verkleidung, obgleich nur das Mike Parkes/Herbert Müller-Auto (1016) die kompletten werksseitigen Verbesserungen aufwies. Der andere Wagen (1008), für Jo Bonnier und seinen Teamgefährten, dem Schweden Reine Wisell vorgesehen, hatte eine ähnlich geformte Karosserie, aber war aber deutlich schwerer.


Ferrari 512 S (Mike Parkes/Herbert Müller)

Das North American Racing Team (NART) von Luigi Chinetti, das sich immer wieder in dieses Rennen einschob, hatte zwei Meldungen in der Gruppe 5 und zwei in der Gruppe 6. Eine der Gruppe 5-Nennungen wurde dem eher langsamen deutschen Amateur Georg Loos zugewiesen, der sich das Standart-512 S Coupé (1018) mit dem erfahrenen Helmut Kelleners teilte.

Gleichwohl NART den 1014 an den Start holte, jenen 512 S, den Dan Gurney für das Team in Daytona gefahren hatte, war das Auto werksseitig umgebaut und mit der neuen Langheck-Karosserie versehen worden. Die Fahrer waren hier SAM Posey und Ronnie Bucknum. Ebenfalls mit einem Langheck-Auto und den aktuellsten Verbesserungen ab Werk ausgestattet war der 512 S (1030) der Equipe Nationale Belge mit Jaques Swaters und dem belgischen Baron Hughes de Fierlandt am Steuer, der hier Derek Bell ersetzte und der Formel-2-Privatier Alistair Walker, der ohnehin in dieser Saison einen 512 S selbst einsetzte.

Alle 512S waren in der Farbe „Italian Racing Rot“ lackiert, abgesehen vom ENB-Auto und der spanischen Nennung, der ehemalige Werks-Kurzheck Spyder 1002 der Escuderia Montjuich für Jose Juncadella/Juan Fernandez und Gordon Spice, die beide in gelb gehalten waren.


Ferrari 512 S (Baron Hughes de Fierlandt/Alistair Walker)


DER VERGLEICH


Dieses Jahr zeigten die zwei Hauptakteure überraschende Ähnlichkeiten, obwohl der eine luftgekühlt war und horizontal entgegen gesetzte Zylinder hatte, der andere wassergekühlt und als V-Motor ausgelegt. Die Anforderungen der CSI 5-Liter Gruppe-5-Regelungen sind für viele dieser Veränderungen verantwortlich, aber es ist interessant, dass beide Autos 12 Zylinder mit sehr ähnlichen Bohrungen und Kolbenhub haben (87 Millimeter x 70 Millimeter für die Ferrari und 86 Millimeter x 70.4 Millimeter für die Porsche, mit 4994 cm³ bzw. 4907 cm³ ein fast identischer Hubraum).

Beide Maschinen haben vier Nockenwellen, aber während die Ferrari vier Ventile pro Zylinder aufweisen, haben die Porsche hat nur zwei. Porsche hätte ebenfalls ein Vierventil-Triebwerk an den Start gebracht, aber mit Konzept eines luftgekühlten Motors war dieses aktuell nicht umsetzbar. Im folgenden Jahr war man keineswegs überrascht, einen flüssigkeitsgekühlten Porsche-Motor mit vier Ventilen pro Zylinder zu sehen. Der Ferrari hat sieben Hauptlager und der Porsche sechs (wenngleich der flache Achtzylinder Porsche 908 10 Lager hat). Der Antrieb der Porsche kommt selbstverständlich über die Mitte der Kurbelwelle. Die Leistung der Ferrari wird mit 568 PS bei 8500 U/min als eher konservativ angesehen, mit maximalem Drehmoment bei 5500 U/min.  Porsche gibt über 608 PS für die Porsche an, die tatsächliche Leistung dürfte jedoch um 588 PS bei 8450 U/min liegen, das maximale Drehmoment ist mit 8600 U/min höher als beim Ferrari.


Der Motor des Porsche 917 K  
        


Der Motor des Ferrari 512 S

Die Radaufhängung und die Bremssysteme sind bei beiden Autos sehr ähnlich, beide verwenden Fünfganggetriebe. Das viel robustere Ferrari-Chassis ist mit einem aluminiumverstärkten Stahlrohrrahmen ausgerüstet, während die Porsche lediglich einen Rahmen aus Alu-Rohren haben. Beide benutzen Fiberglaskarosserien, aber der Hauptunterschied liegt im Gewicht. Porsche ist einer der größten Titan verarbeitenden Betriebe in Deutschland und 3 Prozent des Gesamtgewichts der 917 liegen bei dieser kostspieligen Legierung.

Bei der technischen Prüfung wogen die 917 zwischen 810 und 858 Kilogramm, während die Ferrari zwischen 915 und 952 Kilogramm lagen - damit hatte Porsche einen Gewichtsvorteil von 220 Pfund.

Wie kostspielig und dünn die Luft in der Gruppe 5 geworden ist, wurde durch den Unterschied zwischen den Ferraris und den Porsche ebenso belegt wie das Beispiel der beiden Autos, welche die Gruppe 5 vor nicht allzu langer Zeit dominierten, der Lola-Chevrolet T70 M3B. Das belgische Team VDS hatte ihren roten Rennwagen mit einer 499 PS Bonnier-Morand-Morand-Vergasermaschine für Teddy Pilette und Taf Gosselin gemeldet. Mike de Udy's Nennung wurde durch einen anderen M3B übernommen, das ex-Penske-Auto des unerfahrenen Robin Orme von den Bahamas, dessen Copilot David Prophet war; in der Praxis konnte sich Orme nicht qualifizieren und das Auto wurde zurück gezogen.


Lola T70 MK III B (Gustave "Taf" Gosselin/Teddy Pilette)


DER KAMPF IN DER GRUPPE 6


In Gruppe 6 gab es eine Schlacht zwischen zwei Marken, dieses Mal zwischen den Matra V12 und den Alfa-Romeo V8. Aber einige der zuverlässigen nicht-werksgestützten Porsche 908 drängten sich dazwischen. Die Pläne von Matra, einige Exemplare ihrer neuen MS-660 mit Monocoque-Chassis einzusetzen, die leichter und als besser geformt waren als der Vorgänger MS-650, wurden durch sehr frühe Fehler in der Entwicklung durchkreuzt, was das Programm deutlich hinter den Zeitplan brachte. Mit dem Ruhestand von Johnny Servoz-Gavin verlor Matra zudem noch einen ihrer schnellsten Fahrer. Als Nennung erfolgten drei Autos mit einem einzelnen, nagelneuen MS-660 (Fg.-Nr. 02) für Jean-Pierre Beltoise/Henri Pescarolo und zwei MS-650 für Jack Brabham/Francois Cevert bzw. Jean-Pierre Jabouille/Patrick Depailler. Der allererste 660, der zwei 24-Stunden-Tests in Marigny absolviert hatte, wurde als Ersatz mitgenommen.
Im letzten Moment wurde Tim Schenken ein Platz angeboten, möglicherweise weil sich Matra um den Mangel an Erfahrung in ihrem dritten Auto sorgte, obgleich der Elf-Konzern darauf drängte, so viele französische Fahrer wie möglich zu benutzen. Wie es sich heraus stellte, durfte er das Rennen nicht fahren.


Matra MS 650 (Jack Brabham/Francois Cevert)

Alle drei Autos benutzten natürlich den aktuellen Matra V12-Motor aus der Formel 1 mit zentralem Ansaugtrakt und strikter Umdrehungsbegrenzung bei 9200 U/min, wo gerade etwa 406 PS anlagen. In Formel 1 hat diese Maschine erst bei 11.000 U/min ihre „rote Linie“ und bei Langstreckenrennen darf etwa bis 10.000 U/min. gedreht werden. Alle drei Matras hatten unterschiedliche Karosserieformen: Der 660 als Langheckversion mit einem horizontalen Flügel ausgelegt und einem großen Ölkühler unter dem Getriebe; Der Flügel auf der Frontpartie des 650, der früh in der Saison ausprobiert wurde, war verschwunden; Das Brabham/Cevert Auto (02) hatte lange Pontons hinter den hinteren 13-Inch-Rädern, während das dritte Auto (03) eine Kurzheck--Karosserie und hintere Räder mit 15-Inch-Durchmesser hatte. Der 660, der die Maschine als strukturell tragendes Teil nutzte, war um 40 Kilogramm leichter als die 650er mit 705 Kilogramm.

Autodelta, deren Bemühungen in der Gruppe 6 dieses Jahr ziemlich krampfartig waren, brachte vier nagelneue Alfa-Romeo Tipo 33/3 Spider für Piers Courage/Andrea de Adamich (AR75080-010), Rolf Stommelen/Nanni Galli (AR75080-007), Toine Hezemans/Masten Gregory (AR75080-014) und Teodoro Zeccoli/Carlo Facetti (AR75080-009). Durchaus mit jenen Tipo 33/3 vergleichbar, die in der Saison bisher erschienen waren, brachten diese Autos einige Modifikationen mit, die jene Leichtbau-Maschine seinerzeit auf dem Nürburgring aufwies. So z.B. Karosserieaufhängungen aus Titan, Aluminium- anstelle von Kupferkühlern und Leichtbau-Räder, die das Gesamtgewicht des verhältnismäßig schweren Autos um 40 Kilogramm auf 765 Kg reduzierte. Die Aufhängungsgeometrie war auf dem Stand der Rennen vor dem Nürburgring-Einsatz und alle vier Autos hatten Langheck-Verkleidungen mit vertikalen Finnen, die gemäß dem technischen Direktor Maurizio Siena etwa 20,9 Km/h mehr brachten. Den Fahrern wurde eine strenge Umdrehungs-Begrenzung mit 8600 U/min auferlegt, 1000 U/min weniger als es für kürzere Rennen üblich war, aber ihre Leistungsabgabe lag mit dem niedrig drehenden V8-Motor immer noch bei 400 PS.


Alfa Romeo T 33/3 (Piers Courage/Andrea de Adamich)

Ebenso wie seine großen 917 brachte Hans-Dieter Dechent seine beiden 908/2 Spider des Martini Racing Teams für die Paarungen Rudi Lins/Helmut Marko und Dieter Spoerry/Alain de Cortanze. Beide Fahrzeuge entsprachen der Konfiguration der laufenden Saison mit Langheck-Karosserien und vertikalen Finnen. Der dritte 908 war das Kamera-Auto von Steve McQueen, welches von der Filmfirma Solar Productions gemeldet und den Porsche Werksfahrern Herbert Linge und Jonathan Williams pilotiert wurde. Die Kameras waren wunderbar in kleinen Verkleidungen auf der Front- bzw. Heckabdeckung untergebracht, das Auto selbst wurde werksseitig vorbereitet – angeblich kostenlos, weil im Film ein Porsche gewinnt!
In dieser Klasse startete ebenfalls der 2,2-Liter Porsche 907 von Andre Wicky, der sich das Cockpit mit Jean-Pierre Hanrioud teilte.

Neben den Ferrari 512 holte NART seine beiden hübschen Ex-Werks-Coupes 312 P an den Start. Beide wurden zwar im Training eingesetzt, aber das Team entschloss sich nur zum Einsatz eines einzigen Wagens, dem des amerikanischen Formel A-Meisters Tony Adamowicz, als zweiter Mann saß Chuck Parsons in diesem Cockpit. Der Healey SR, der in den beiden letzten Jahren in Le Mans startete, erschien in einer drastisch veränderten Form, Roger Enever und Andrew Hedges pilotierten dieses Auto. Der Zeiliter Climax VS-Motor wurde durch einen Dreiliter Repco 740 VS mit einzelner Nockenwelle und einem DG300-Getriebe ersetzt. Der Radstand sowie die Spurbreite wurden vergrößert und große innenbelüftete Girling-Scheibenbremsen versahen nun ihren Dienst. GKN hatte besonders breite Felgen angefertigt und lieferte zudem kostspielige kugelgelagerte Antriebswellen. Zwei Jahre zuvor mochte dieses Fahrzeug konkurrenzfähig gewesen sein, aber für das 1970er Rennen war es einfach zu schwer und hatte zu wenig Leistung, um mit den Matras und Alfas zurecht zu kommen. Wie auch immer, es war ein mutiger britischer Versuch...


DER REST

Die Zweiliter-Gruppe 6 Kategorie war klein, aber interessant. Die französischen Hoffnungen ruhten natürlich auf dem Ligier JS1, dem Cosworth FVC-angetriebenen Prototyp, der bereits einige französische Rennen gefahren hatte. Natürlich saß sein Hersteller, Guy Ligier, am Lenkrad, welches er sich mit Jean-Claude Andruet teilte.
Drei Chevron B16 vervollständigten diese Klasse. Ian "Mo" Skailes saß in seinem - wie üblich grünen - FVC-angetriebenen Auto, das werksseitig unterstütz wurde, John Hine war hier der zweite Mann. Chevron hatte jedoch ein besonderes Auto mit der Chassis-Nr. 026 gebaut (die Homologation kann nicht weit weg sein!), welches von Digby Martland und Clive Baker gesteuert wurde. Auf der Suche nach Zuverlässigkeit entschied sich Chevron bei diesem Auto für einen BMW 2-Liter-Motor mit knapp 202 PS Leistung. Letztendlich wurde noch der lärmende B16, der von einem Mazda Wankelmotor angetrieben wurde, von den Belgiern Yves Deprez und Julien Vernaeve eingesetzt. Mit 570 Kg war es das leichteste Auto im Feld. Nach dem vielversprechenden Rennen in Spa war der Ausdruck in den Minen der unergründlichen Japaner von Mazda breiter als sonst, obwohl es diesem B16 einfach an Speed mangelte.


Ligier JS 1 (Guy Ligier/Jean-Claude Andruet)

Die 2-Liter Gruppe 5 Kategorie war sogar noch kleiner; ein Paar Porsche 910 für Christian Poirot/Ernst Kraus/Jean Vinatier bzw. Willi Meier/Daniel Rouveyan und Roy Johnson's Chevron-BMW B8 für ihn selbst und den Amerikaner Erwin Barnes tummelten sich hier. Wie es sich allerdings herausstellte, liefen beide 910er Porsche dann doch in der Gruppe 6 Kategorie, während es dem Chevron B8 nicht erlaubt wurde zu starten, weil er einfach zu langsam und zu unberechenbar während des Trainings auf der Mulsanne-Geraden war und er sich damit den Zorn der Organisatoren zuzog.
Die GT-Nennungen in puncto Gewicht (1380 Kilogramm!), Hubraum und Auspuffgeräusch beherrschten die zwei 7-Liter Chevrolet Corvette Stingrays. Einer wurde vom französischen General Motors-Fachmann Henri "Titi" Greder für sich selbst und für Jean-Pierre Rouget gemeldet, während das Auto der Ecurie Leopard von Joseph Bourdon und Jean-Claude Aubriet gefahren wurde.


Chevrolet Corvette (Joseph Bourdon/jean-Claude Aubriet)

Dann kamen eine ganze Reihe von Porsche 911, die wie gewöhnlich von französischen Privatiers gemeldet wurden und eigentlich in einem Rennen mit 230 PS-Sportwagen nichts zu suchen hatten. Der schnellste Wagen der Gruppe 5 überrundete die 911er alle vier Runden! Wie auch immer belegten sie ihre Zuverlässigkeit und einige sollten auch die Zielflagge sehen dürfen.
In 2.2-Liter getriebenen 911ern saßen Jean Gaban/Willy Braillard, Claude Laurent/ Jacques Marche/Michel Jullien, Nicolas Koob/Erwin Kremer, Jean Egretaud/Jean Mesange, Jacques Rey/Bernard Cheneviére und Claude Haldi/Artur Blank. In den 2-Liter-911ern griffen Sylvian Garant/Guy Verrier, Jean Sage/Pierre Greub, Jean-Claude Lagniez/Claude Swietlik und Jacky Dechaumel/Jean-Claude Parot ins Lenkrad. Lediglich ein einzelner Porsche 914/6 lockerte die Langeweile in dieser Gruppe der 911er ein wenig auf. Er wurde vom französischen Porsche-Großhändler Sonauto für Guy Chasseuil/Claude Ballot-Lena eingesetzt.


Porsche 914/6 (Claude Ballot-Lena/Guy Chasseuil)


TRAINING

Wie üblich wurde Mittwoch und Donnerstag abend trainiert, es folgten all die Dramen der technischen Abnahme und der Nennungen am Montag und Dienstag. Das Renntraining dient mehr der Absicherung, dass das Auto tatsächlich rennfertig ist und nichts gravierendes mehr passiert, um eine gute Startposition zu ergattern. Schwierig insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Rennstrecke nicht permanent geöffnet ist und man auf die offizielle Absperrung warten muss, um die individuellen Abstimmungen für die Aerodynamik zu erproben!

Beide Tage waren heiß und feucht, aber trocken. Am Mittwoch leistete Vaccarella Großes für die Moral bei Ferrari, indem er mit 3:20 min um 1.9 sek schneller war als der schnellste Porsche, jenem von Pedro Rodriguez. Porsche belegte die folgenden drei Plätze. Vic Elford probierte es mit seinem Langheck und dem Kurzheck-Auto und fand heraus, dass der neue Spoiler auf dem Langheck die Geradeausstabilität ganz maßgeblich zum Positiven beeinflusste. Aber die durch Porsche’s Renncomputer vorgeschlagene Getriebeabstimmung zeigte sich als zu optimistisch, kratzte doch Vic „nur“ mal die 358 Km/h-Marke, womit die Übersetzung dann abändert wurde.


 
Porsche 917 Langheck (Vic Elford/Kurt Ahrens) 

Alle drei Gulf-Autos hatten ein störungsfreies Training, obwohl sich die Fahrer über ein Wedeln des Hecks bei starkem Anbremsen auf der Mulsanne beschwerten, womit der vordere Anstellwinkel von 3 auf 3 ¾ Grad erhöht wurde, um einen ausgleichenden Effekt zu erhalten. Dieses Problem war nicht neu für Porsche, aber zum ersten Mal hatten auch die Ferrari-Fahrer ähnliche Schwierigkeiten – es gibt keinen anderen Rennkurs, der ein derart starkes Anbremsen nach solchen hohen Geschwindigkeiten erfordert wie bei dieser scharfen Kurve.
Mauro Forghieri widmete diesem Problem seine gesamte Aufmerksamkeit und war in dieser Nacht ständig am Telefon, um mit Maranello wegen Ersatzteilen zu telefonieren. Ferrari hatte es hinbekommen, ein spezielles Getriebe für den 512 S zu konstruieren, welches größere Wellenlager hatte. Dieses wurde im Auto von Ickx/Schetty Mittwochnacht eingebaut.

Attwood und Hermann beschwerten sich über einen zu langen Bremspedalweg bei ihrem Salzburg-Porsche, während sich Merzario einen Platten unter der Dunlop-Brücke einhandelte – der erste in einer ganzen Reihe von Plattfüßen, unter denen viele Autos möglicherweise aufgrund des warmen Wetters und der Aufweichung des Fahrbahnbelags litten. Vor dem Training brach beim Bell/Peterson-Ferrari der Antrieb des Umdrehungszählers und einige Zahnradteile rieselten in die Ölwanne. Als das Ersatzteil ebenfalls kaputt ging, waren sie gezwungen, ohne den Drehzahlmesser zu fahren. Sie erlangten eine ausgezeichnete Rundenzeit mit 3:23.4 sek und Peterson brachte es fertig, seinen Ferrari aus manchen Kurven heraus so klingen zu lassen wie die Matras – unnötig zu erwähnen, dass ein Pleuel sich bald seinen Weg durch den Motorblock suchte… Die Zahnradteile in der Getriebeölwanne könnten dafür verantwortlich gewesen sein…


Ferrari 512 S (Derek Bell/Ronnie Peterson)

Schnellstes 3-Liter-Auto 3-litre war gegenwärtig Stommelen's Alfa mit 3:33,8 sek, die anderen Alfas folgten dicht auf. Im Unterschied dazu hatten die Matras keine angenehme Zeit. Der 660 hatte eine fehlerhafte Kraftstoffanzeige und Beltoise und Pescarolo sprachen offen darüber, eines der älteren Autos zu fahren, weil ihres im Handling doch einiges zu Wünschen übrig ließ.


DONNERSTAG


Elford's Veränderung der Getriebübersetzung brachte es fertig, am Donnerstag Abend als allererster die Le Mans-Runde unter 200 Sekunden zu fahren – ungeachtet der erst kürzlich errichteten Ford-Schikane! Der mächtige weiße Langheck-Porsche kam nun auf eine Spitzengeschwindigkeit von 365,3 Km/h, zwar nur eine kleine Verbesserung, aber Vic war nun wirklich zufrieden mit dem Handling seines Autos, seine schnellste Rundenzeit lag bei 3:19,8 sek.  Er sagte, dass eine Runde ohne Verkehr unter optimalsten Bedingungen diese vier Sekunden herunter geschraubt haben könnte. Bei Vaccarella lief es ebenfalls recht gut und er bekam bei dieser Gelegenheit eine 3:20.6 sek hin, während Siffert mit 3:21.1 sek schnellster Mann im Gulf-Team war. Die Sensation des Abend war jedoch der tapfere Merzario, der eine 3:21.3 sek erreichte. Die Ferrari liefen am Donnerstag recht störungsfrei, abgesehen von einer unglaublichen Platten-Plage (neun!), während sich Rodriguez über die schlechten Bremsen auf seinem Gulf-917 beschwerte und Siffert einen Zündungsausfall hatte. Attwood sagte, dass seine Bremsen nicht verbessert worden waren und die Salzburg-Mechaniker einige unerwünschte Veränderungen im Cockpit vorgenommen hatten.
Ickx, der seine übliche ruhige Herangehensweise an das 24-Stunden-Ereignis zeigte, trainierte relativ wenig und war damit zufrieden, einige Reifen abzufahren und so manche Bremsscheibe und die Bremsbeläge erneuern zu lassen. Im Gegensatz dazu musste Forghieri seine eher extrovertierten Treiber vom Versuch zurückhalten, Vaccarella's Zeit noch zu unterbieten.


Ferrari 512 S (Ignazio Giunti/Nino Vaccarella)

Das einzige ernste Ereignis während des gesamten Trainings passierte während des Donnerstagstrainings im 225 Km/h-schnellen Anschlussstück nach Maison Blanche. Brabham's Matra setzte zum Überholen von Spoerry's Martini Porsche 908 an, der zur Seite steuerte, offensichtlich um Brabham vorbei zu lassen. Als Matra fast neben dem Porsche war, zog dieser wieder herüber und die Autos stießen zusammen. Brabham behielt den Matra unter Kontrolle und brachte ihn mit geringfügigen Schäden an der Karosserie zurück in die Box. Der Porsche flog jedoch von der Strecke ab und zerbröselte im Graben. Der Motorblock riss ab und schleuderte über die Straße, die vordere Aufhängung und das Lenkrad flogen in eine völlig andere Richtung, während das Getriebe etwa 100 m weiter weg auf einem Feld gefunden wurde. Die radlose Cockpit-Zelle landete mit dem immer noch angeschnallten Spoerry, die Überbleibsel fingen Feuer, Spoerry schnallte sich selbst ab und brachte sich mit nicht weiterem als einem Schnitt am Bein in Sicherheit. Von den reißerischen Fotos ausgehend, die anderntags von diesem Unfall in der französischen Presse erschienen, erschien Spoerry’s Überleben geradezu wie ein Wunder.
Brabham hingegen war mit seinem Matra 650 gut in Fahrt und setzte mit 3:32.2 sek die schnellste Rundenzeit in der 3-Liter-Klasse fest. Der 660 hingegen war nicht so recht beieinander und wurde zu einem Motorwechsel weg gerollt, zwischenzeitlich brannte beim ENB Ferrari die Kupplung durch. Der Ligier brachte die schnellste 2-Liter-Zeit, eine fehlerhafte Ölpumpe verursachte aber einen Lagerschaden, somit erhielt der Ligier ebenfalls am Freitag einen neuen Motor.
 

Matra MS 650 (Jack Brabham/Francois Cevert)


Die Zeiten des Abschlusstrainings (der startende Fahrer wird zuerst genannt):
 
Startplatz
Fahrer
Fahrzeug
Zeit
1
Elford/Ahrens
Porsche 917 LH
3:19,8
2
Vaccarella/Giunti
Ferrari 512 S
3:20,0
3
Siffert/Redman
Porsche 917 K
3:21,1
4
Merzario/Regazzoni
Ferrari 512 S
3:21,3
5
Rodriguez/Kinnunnen
Porsche 917 K
3:21,9
6
Ickx/Schetty
Ferrari 512 S
3:23,1
7
Bell/Peterson
Ferrari 512 S
3:23,4
8
Müller/Parkes
Ferrari 512 S
3:25,4
9
Bonnier/Wisell
Ferrari 512 S
3:28,7
10
Hobbs/Hailwood
Porsche 917 K
3:29,1
11
van Lennep/Piper
Porsche 917 K
3:29,4
12
Larousse/Kauhsen
Porsche 917 LH
3:30,8
13
Posey/Adamowicz
Ferrari 512 S
3:31,2
14
Attwood/Hermann
Porsche 917 K
3:31,5
15
Brabham/Cevert
Matra MS 650
3:32,2
16
Manfredini/Moretti
Ferrari 512 S
3:33,0
17
Galli/Stommelen
Alfa Romeo T33/3
3:33,8
18
Kelleners/Loos
Ferrari 512 S
3:35,6
19
de Adamich/Courage
Alfa Romeo T 33/3
3:35,7
20
Jabouille/Depailler/Schenken
Matra MS 650
3:36,3
21
Pescarolo/Beltoise
Matra MS 660
3:36,6
22
Lins/Marko
Porsche 908
3:38,9
23
Hezemans/Gregory
Alfa Romeo T 33/3
3:39,0
24
Juncadella/Fernandez/Spice
Ferrari 512 S
3:39,9
25
de Fierlandt/Walker
Ferrari 512 S
3:40,4
26
Zeccoli/Facetti
Alfa Romeo T 33/3
3:41,5
27
Pilette/Gosselin
Lola T70 MK III B
3:46,5
28
Parsons/Adamovicz
Ferrari 312 P Coupé
3:54,1
29
Wicky/Hanrioud Porsche 907 3:59,6
30
Ligier/Androuet Ligier JS 1 4:03,4
31
Linge/Williams/Slotemaker Porsche 908 4:03,7
32
Skailes/Hine Chevron B16 4:03,8
33
Enever/Hedges Healey SR XR37 4:06,0
34
Bourdon/Aubriet Chevrolet Corvette 4:07,2
35
Greder/Rouget Chevrolet Corvette 4:10,5
36
Poirot/Kraus Porsche 910 4:14,9
37
Baker/Martland Chevron B16 4:18,8
38
Meier/Rouveyran Porsche 910 4:20,0
39
Haldi/Blank Porsche 911 4:22,0
40
Rey/Chenevière Porsche 911 4:23,9
41
Vernaeve/Deprez Chevron B16 4:24,2
42
Gaban/Braillard Porsche 911 4:29,3
43
Koob/Kremer Porsche 911 4:29,6
44
Sage/Greub Porsche 911 4:29,6
45
Ballot-Lena/Chausseuil Porsche 914/6 4:30,0
46
Mazzia/Mauroy Porsche 911 4:31,7
47
Parot/Dechaumel Porsche 911 4:35,0
48
Egretaud/Mesange
Porsche 911 4:35,5
49
Verrier/Garant Porsche 911 4:36,5
50
Lagniez/Swietlik Porsche 911 4:38,1
51
Laurent/Marche Porsche 911 4:44,0

Wäre das Training ein Hinweis auf die Renn-Form, sähen die Dinge für Ferrari wirklich gut aus. Sechs Autos waren unter den schnellsten Neun. Weiterhin hatten die Porsche-Teamleiter ihre liebe Not, die Fahrer davon zu überzeugen, dass hier kein Grand Prix gefahren werden sollte, in dem jeder versucht, den anderen zu schlagen. Nicht nur zwischen Vic Elford und den Gulf-Fahrern gab es die unvermeidbare Rivalität, sondern besonders zwischen „Seppi“ Siffert und Pedro Rodriguez. Keiner konnte es besser beurteilen als David Yorke und John Wyer, dass ein Mangel an Disziplin zu einer Katastrophe führen kann! Es war auch sonnenklar, dass Ferrari versuchen würde, ein Auto in Front zu bringen, um den „Hasen“ zu spielen – mit dem Ziel, die Porsche frühzeitig zum Überdrehen ihrer Motoren zu bringen, was unweigerlich zum Ausfall der Porsche führen musste... Während die Mechaniker in den Garagen an den Fahrzeugen werkelten und sich die Fahrer entspannten, verbrachten die Teamchefs den Freitagabend damit, über die Taktik für den morgigen Tag zu grübeln. Es sah alles nach einem gigantischen Kampf aus!


DAS RENNEN - TEIL 1

Die weitergehenden Arbeiten auf dem Rennkurs von Le Mans im vergangenen Jahr schlossen 12 zusätzliche Kilometer ein, die mit Armco-Sicherheitsleitplanken ausgestattet wurden, die nunmehr fast den gesamten Kurs umspannten. Die Esses-Kurve und Tertre Rouge wurden neu asphaltiert und verbreitert. Dies geschah hauptsächlich deshalb, weil Fahrer immer wieder versuchten, Zeit zu sparen, indem sie die erste Runde nach dem Start unangeschnallt fuhren. So widerfuhr es John Woolfe im vergangenen Jahr, als er in der ersten Runde seinen tödlichen Unfall hatte – er war nicht angeschnallt! In diesem Zuge wurde auch der traditionelle Le Mans-Start, bei dem die Fahrer beim Fallen der Startflagge über die Piste zu ihren Fahrzeugen rennen mussten, abgeschafft. Nachdem man mit dem Gedanken gespielt hatte, dass die Copiloten über die Piste rennen sollten, wurde beschlossen, dass die Autos in der Boxengasse analog ihrer Trainingszeiten aufgereiht und die Fahrer angeschnallt bei stehendem Motor in den Fahrzeugen sitzen sollten. Beim Senken der Startflagge (in diesem Jahren von keinem Geringeren als Dr. Ferry Porsche durchgeführt) durften die Motoren gestartet werden und das Rennen begann.

Währen des üblichen Prunks und dem Abspielen der Nationalhymne reihten sich die 51 Fahrzeuge des Rennens auf. Porsche wollte mit dem 5-Liter Ersatzfahrzeug des Salzburg-Teams mit Dieter Spoerry am Lenkrad starten, so dass in Falle eines frühen Ausfalls eines der anderen Fahrzeuge der entsprechende Fahrer auf dieses Auto zurückgreifen konnte, aber Spoerry bekam beim medizinischen Check keine Zulassung fürs Rennen. Sein zerschrammtes Bein aus dem Trainingsunfall bereitete im immer noch Schmerzen – somit konnte dieses Auto erst gar nicht starten.

Ein Drama in allerletzter Minute ereignete sich beim Wyer-Team, als beim Siffert/Redman-Auto unmittelbar vor dem Start ein Benzinleck gefunden wurde, was man eiligst wieder reparierte. Das Wetter war warm und schwül, es sah nach Regen aus und nahezu jeder hatte Intermediate-Reifen aufziehen lassen – außer Merzario. Er sollte bei Ferrari den „Hasen“ spielen und die Porsche unter Druck setzen. Sein 512 S war mit Firestone Indys ausgerüstet.

Plötzlich war es 4 Uhr nachmittags, die Startflagge fiel, die Autos brüllten auf und hetzten die Straße hinunter. An die Spitze setzte sich Elford, der einen guten Start hatte, Siffert jedoch kam etwas besser weg und die beiden 917 beschleunigten Seite an Seite den Hügel hinauf. Im Gegensatz dazu wiederholte Ickx seine entspannte Haltung vom Vorjahr und wartete, bis der gröbste Verkehr an ihm vorbei gezogen war, bevor er losfuhr. Jack Brabham gab sich noch cooler: Er kletterte erst 30 Sekunden vor dem Start in seinen Matra und war somit einer der letzten, die aus der Startaufstellung fuhren.


Siffert (Nr. 20) und der Trainingsschnellste Elford(Nr. 25)  kommen am schnellsten aus der gestaffelten Startaufstellung

Am Ende der ersten Runde war niemand überrascht, Elford klar in Front in seinem großen weißen Porsche vor den Gulf-Porsche von Siffert und Rodriguez zu sehen. Der erste Ferrari war jener von Merzario (ganz nach Plan!) auf Platz vier, gefolgt von Vaccarella, Hobbs im 4,5-Liter Gulf-Porsche, Müller im Ferrari und van Lennep im 917. Elford legte direkt vom Start weg ein höllisches Tempo vor und hatte nach der zweiten Runde bereits 5,8 sek Vorsprung vor Seppi Siffert, während Merzario Pedro Rodriguez unter Druck setzte und am Ende der dritten Runde an ihm vorbei zog. Elford setzte sich stetig mehr von seinen verfolgern ab, so dass die Lücke zwischen ihm und Siffert in Runde vier bereits 9 Sekunden betrug, Siffert konnte nur im starken Verkehr ein wenig an Boden gut machen (die langsamsten Autos wurden bereits im dritten Umlauf überrundet!). Der Porsche 908 Kamerawagen, der die beiden ersten Runden filmte, kam wegen eines Kamerawechsels in die Box. Dann versagte jedoch der Anlasser und man arbeitete eine Stunde an dem Bauteil – gemäß des Reglements dürfen Anlasser nicht einfach ausgetauscht werden.

Unterdessen gab es eine ganze Reihe von Boxenstops. Skailes brachte den Chevron bereits nach der ersten Runde mit einem losen Schalthebel herein. Galli hatte in der Schikane „abgekürzt“ und fuhr gleich freiwillig an seine Box, um eine Bestrafung durch die Rennleitung zu vermeiden. Merzario kam herein, um Vibrationen seiner Frontaufhängung untersuchen zu lassen. Zwischenzeitlich vermisste man den trainingsschnellsten Ferrari: Nach langem Warten humpelte Vaccarella mit einem angeschlagenen 512 S in die Box – ein Pleuel hatte sich durch die Seite gebohrt und das war’s dann... Ein weiterer früher Ausfall auf italienischer Seite ereignete sich mit Hezeman’s Alfa: Ein Stein suchte sich seinen Weg durch den Ansaugtrakt, zerstörte ein Ventil und durchlöcherte einen Kolben, wodurch Öl und Wasser auf einen der Auspuffe traten.

Den ersten Plattfuß des Rennens fing sich Derek Bell ein und Pescarolo musste wegen einer losen Frontabdeckung mit seinem Matra ebenfalls an die Box.

Runde 10 und Elford hatte sich an die beständigen Überrundungen gewöhnt, Siffert hingegen behandelte den Salzburg-Wagen jedoch nicht wie einen Mannschaftskameraden, sondern war hart darauf aus, ihn einzuholen. Der Abstand verringerte sich auf 2,5 sek, aber eine halbe Minute dahinter war Rodriguez bereits dritter vor Müller, Hobbs, van Lennep und Larousse. Ickx, der gut aufholte, folgte als nächster, anschließend kam Merzario, der nach seinem kurzen Stop versuchte, Anschluss zu bekommen und Attwood, der vom Start wohl etwas überrascht worden war. Bonnier stoppte, um seine ölverschmierte Scheibe säubern zu lassen und Zeccoli’s Alfa kam ausgerechnet mit einem losen Beifahrersitz herein!

Nach 15 Runden kamen die ersten Tankstops. Die ersten drei Plätze blieben unverändert, aber durch die gute Arbeit der Boxencrew konnte sich Hobbs vor Piper schieben, der das Steuer von van Lennep übernommen hatte. Im Unterschied dazu brauchte es bei Matra 2 Minuten und 14 Sekunden, um Brabham aus dem 650 heraus und Cevert hinein zu bekommen!

Nach einer Stunde des Rennens war Siffert plötzlich direkt an Elford’s Heck, zweifelsohne waren Wyer und Salzburg Konkurrenten, somit versuchte es der hellblau-orangene Rennwagen zweimal auf der Start-Ziel-Geraden zunächst auf der einen, dann auf der anderen Seite an Elford vorbeizukommen und übernahm schließlich die Führung. Der Schweizer legte mit 3:22,6 sek gleich einen neuen Rundenrekord hin, aber die Launen des Verkehrs in Le Mans brachten ihn kurz darauf wieder hinter Elford, der mit einer 3:21,0 sek zurückschlug. Die Ferrari von Bonnier und Bell bekämpften sich ähnlich dicht.

Dann kam der erste Porsche-Ausfall in Runde 22. Bei Arnage fiel beim Rodriguez-Porsche plötzlich der Motor aus. Die Welle, die den Lüfter antrieb, war gebrochen, fiel in den Kurbelkasten und zerstörte somit den gesamten Motor. Das Auto wurde stillgelegt und Pedro ging traurig zurück in die Box.
 

Der Gulf-Porsche 917 K mit Rodriguez am Steuer vor seinem Ausfall in Runde 22

Etwa nach zwei Stunden begann es leicht zu regnen. Es war noch nichts Ernstes und jeder fuhr weiter wie bisher. Dann kamen die Führenden zu einem zweiten Routinestop an die Box. Ahrens ersetzte Elford und Redman übernahm von Siffert, erneut trug die Arbeit der Boxenmannschaft bei Gulf Früchte: Am Ende der nächsten Runde hatte der Gulf-Porsche 10,5 sek Vorsprung. Ickx hatte sich bis auf Platz drei vorgearbeitet und lag vor Hobbs. Merzario hingegen, bei dem es bislang sehr gut lief, war durch den Regen gezwungen, seine Indy-Reifen zu wechseln und übergab an Regazzoni, der vor Piper schließlich auf Platz fünf lag. In der Dreiliter-Kategorie führte eine Weile der Adamich/Courage-Alfa, im Laufe des zweiten Boxenstops kam jedoch der Brabham/Cevert-Matra an die Spitze.

Redman hatte seine Führung gegenüber Ahrens auf 20 sek ausgebaut, aber all das hatte keine Bedeutung mehr, als ein Ausgleichsgewicht eines Rades abfiel und er zum Radwechsel in die Box musste. Dann kam ein bitterer Schlag für Ferrari: Durch einen Unfall wurden nicht weniger als vier 512 S eliminiert! Reine Wisell, der aufgrund seiner ölverschmierten Scheibe kaum noch etwas sehen konnte, lenkte seinen Ferrari kurz vor Maison Blanche an den Straßenrand und wurde langsamer. Bell, Regazzoni und Parkes tauchten auf einmal zusammen auf, nachdem sie sich auf der Mulsanne-geraden gegenseitig beharkt hatten. Bell wich aus, um nicht auf Wisell aufzufahren. Regazzoni versuchte, zwischen diesen beiden hindurch zu kommen und traf mit einem riesigen Knall bei 240 Km/h das Heck von Wisell’s Auto, der mit 80 Km/h vor sich hin rollte. Der Schwede schoss quer über die Straße in die Leitplanken, prallte zurück auf die Fahrbahn und drehte sich gemeinsam mit Regazzoni in den Weg von Parke’s Auto. Parke raste in diese beiden und sein 512 fing Feuer. Obwohl die Marshalls das Feuer schnell im Griff hatten, erlitt Parkes leichte Verbrennungen am Bein. In diesem Drama verfehlte Bell einen Gang und kam mit überdrehtem Getriebe direkt in die Box, während Parkes mit seinem hoffnungslos ramponierten Wagen ausschied. Vier 512 S weniger, um die sich Porsche Sorgen machen musste...


Ferrari 512 S (Parkes/Müller)

 
DAS RENNEN - TEIL 2

Als wär’s noch nicht genug begann es dann wie aus Kübeln zu schütten. Die Strecke war nun völlig überflutet und die Boxencrews eifrig darauf bedacht, nunmehr alle Fahrzeuge mit Regenreifen auszurüsten. Erneut war diesmal das Gulf-Team schneller als die Salzburg-Mannschaft und das Siffert/Redman-Auto kam somit erneut in Front. Die Geschwindigkeiten verringerten sich drastisch, für einige jedoch nicht drastisch genug: Facetti, der nun im Nassen 8 sek schneller pro Runde fuhr als seine Teamkameraden, drehte sich mit seinem Alfa in der schnellen Bergauf-Kurve direkt nach der Boxengasse im dichten Verkehr. Der Wagen krachte in die Leitplanken, zwei Räder wurden beschädigt. Der optimistische Facetti rannte zurück zur Box, um einen Wagenheber und zwei neue Räder zu holen. Es gelang ihm jedoch nicht, das Auto wieder einsatztauglich zu bekommen, denn einige Minuten später kam Mike Hailwoods drittplatzierter Gulf-Porsche angeprescht. Mike kämpfte, um das Auto auf der rutschigen Oberfläche unter Kontrolle zu bekommen. Da er nun schon alles versucht hatte, musste er feststellen, dass der parkende Alfa genau den Bereich der Straße belegte, den er selbst brauchen würde. Der Porsche traf den Alfa frontal und für beide war das Rennen vorüber. Zurück in der Box sagte ein beschämter Hailwood zu John Wyer: „Es tun mir so verdammt leid, John!“ Wyer entgegnete mit einem lakonischen Grinsen: „Ist schon ok, Mike. Ruf’ uns nicht an – wir rufen dich an!“


Mike Hailwood's Gulf-Porsche Nr. 22 - nachdem er Facetti's Alfa erwischt hatte

In der Esses-Kurve setzte Bourdon seinen Corvette Stingray in die Leitplanken und trotz mächtigem Bremsmanöver rutschte der Healey in das Heck von Martland’s Chevron. Beide Karosserien wurden dabei beschädigt und machten einen zusätzlichen Boxenstop für Reparaturen notwendig. Kelleners schlug in die Barrieren in der Esses-Kurve ein, als er einem anderen, sich drehenden Auto ausweichen wollte – das tat der Nase des Loos-512 S gar nicht gut! Das Ferrari-Werks-Team lieh den Marken-Kollegen von Loos eine ihrer aktuell gestylten Fronthauben, die in einem langen Boxenstop unter harter Schufterei angebaut wurde.

Es regnete aber immer noch und die gelben Signal-Lampen, die weitere Dreher als Gefahr auf der Strecke anzeigten, waren nahezu ständig an. Erst etwa gegen sechs Uhr am Abend ließ der Regen etwas nach und mit einem Sechstel des Rennens sah die offizielle Reihenfolge so aus:

1. Siffert/Redman (Porsche 917 Nr. 20) 61 Runden
2. Elford/Ahrens (Porsche 917 LH Nr. 25) 61 Runden
3. van Lennep/Piper (Porsche 917 Nr. 18) 60 Runden
4. Attwood/Herrmann (Porsche 917 Nr. 23)
5. Larrousse/Kauhsen (Porsche 917 LH Nr. 3)
6. Ickx/Schetty (Ferrari 512S Nr. 5)
7. Brabham/Cevert (Matra 650 Nr. 32)
8. Galli/Stommelen (Alfa Romeo T33/3 Nr. 35)
9. Manfredini/Moretti (Ferrari 512S Nr. 16)
10. Lins/Marko (Porsche 908 Nr. 27)

 
Porsche 917 K (Siffert/Redman)

Mit dem Attwood/Herrmann-Auto und dem Larousse/Kauhsen-Wagen an der Spitze vor dem Ickx/Schetty-Ferrari (der Zeit in der Box bei einem verschlafenen Bremsbelag-Wechsel eingebüsst hatte) sah die Sache momentan für Porsche recht gut aus. In der Gruppe 6 kamen zwei Alfas mit den Wetterbedingungen überhaupt nicht zurecht. Galli musste die Zündkerzen wechseln lassen und Courage hatte Probleme mit der Lichtmaschine. Zwischenzeitlich waren die Matras mächtig am Qualmen und zeigten sich als unheilvoll öldurstig – Öl wurde bei ihnen so oft es das Reglement erlaubte nachgefüllt! Der Grund hierfür waren die speziell für Langstreckenrennen entwickelten Kolbenringe, die bei allen Matras montiert waren. Hier hatte man wohl eine schlechte Charge erwischt, denn alle Bauteile zerbrachen.
Das Jabouille/Depailler-Auto schlitterte in die Leitplanken, bei der Karosserie-Reparatur gingen 26 Minuten verloren. Der VDS-Lola, der im Nassen eine gute Vorstellung abgab, verlor einige Zeit durch den Austausch einer gebrochenen Lichtmaschinenhalterung, lag aber dennoch als 14. hinter dem NART Ferrari 512 S. Ebenso wie das Juncadella/Fernandez-Auto war der ENB 512 S nach einem sehr langen Boxenstop zum Auswechseln einer gebrochenen Benzinleitung am Ende. Ein undichter Benzintank hatte zwischenzeitlich den Untergang des Chevron-Mazda verursacht.

Nunmehr ruhten die gesamten Hoffnungen von Ferrari auf den Schultern von Ickx und Schetty, die sehr beständig fuhren und gegen 10 Uhr abends war der einzig verbliebe Werkswagen wieder auf dem dritten Gesamtplatz. Die Matras brauchten wegen ihres extrem hohen Ölverbrauchs immer länger in der Box. Dann zeigte sich das alte Matra-Problem von zerbrochenen Verteilern am Auto von Jabouille/Depailler. Beltoise hatte mit seinem 660 einige Boxenstops: Er hatte nunmehr sein ganzes Öl verbraucht und ein erneutes Nachfüllen hätte unweigerlich die Disqualifikation zur Folge – also wurde das Auto aus dem Rennen genommen. Kurz nach 10 Uhr zog man die beiden verbliebenen Matras wegen der gleichen Problematik zurück und alle französischen Teams mussten somit ihr 1970er Rennen vorzeitig beenden.


Matra MS 660 (Pescarolo/Beltoise)

Trotz seiner neuen Front hatte der Kelleners/Loos-Ferrari nach seinem letzten Unfall ein schlechtes Handling. Letztendlich weigerte sich Kelleners, das Auto auf der immer noch extrem nassen Strecke zu fahren. Loos übernahm für ein paar Runden, bestätigte jedoch den Eindruck von Georg Loos und zog das Auto aus dem Rennen zurück.

Plötzlich verschlechterte sich auch das Handling des zweitplatzierten Porsche von Vic Elford. Er kam an die Box, um seine Radaufhängungen überprüfen zu lassen. Es wurde jedoch kein Fehler gefunden, man befestigte aber bei dieser Gelegenheit einen gebrochenen Scheinwerferhalter. Vic machte zwei weitere Stops, bevor man einen schleichenden Plattfuss fand. Diese Umstände brachten den Gulf-Porsche in eine komfortable Führung, den Ferrari auf Rang zwei und Elford auf Platz fünf, noch hinter Attwood/Hermann und Larousse/ Kauhsen. Courage drehte sich mit seinem Matra in der Esses-Kurve und beschädigte sich dabei die hintere Karosserie. Eine neue Heckverkleidung musste montiert werden, was ihn auf Platz 13 zurückfallen ließ. Ein ähnliches Schicksal ereilte Piper, der mit seinem AAW Porsche 917 auf dritter Position lag. In seinem Fall wurden die Fronthaube und die Scheinwerfer demoliert, er fiel durch die Instandsetzung auf Rang 14.

Durch sehr gleichmäßiges Fahren waren nun Lins/Marko mit ihrem Porsche 908 in der Gruppe 6 die Führenden, mit einem sechsten Platz im Gesamtklassement, eine Runde hinter dem Galli/Stommelen-Alfa und zwei Runden vor dem Posey/Bucknum-Ferrari 512 S des NART-Teams. Auf Rang neun lag der VDS Lola, aber kurz nach Mitternacht versagte die Kupplung des mächtigen Rennwagens und er fiel aus. Der Manfredini/Moretti-512 S hatte die Innereinen seines Getriebes zum Kochen gebracht, nachdem die Ölablassschraube verloren ging und die Mechaniker eifrig versuchten, das Getriebe wieder instand zu setzen, während der Martland/Baker-Chevron mit einem defekten Ventil angeschlagen seine Runden drehte. Paul Owens öffnete den Motorkopf, wechselte das defekte Ventil – welches glücklicherweise nicht die Kolbenringe beschädigt hatte – innerhalb einer Stunde und Digby Martland stürzte sich zurück in die Schlacht. Einer seiner Rivalen aus der gleichen Kategorie, der Ligier-FVC, hatte einen defekten Zündverteiler und schied aus. Etwa um Mitternacht waren bei nun wieder fast abgetrockneter Strecke folgende Wagen unter den ersten zehn:

1. Siffert/Redman (Porsche 917 Nr. 20) 122 Runden
2. Ickx/Schetty (Ferrari 512S Nr. 5) 118 Runden
3. Attwood/Herrmann (Porsche 917 Nr. 23) 117 Runden
4. Larrousse/Kauhsen (Porsche 917 LH Nr. 3) 117 Runden
5. Elford/Ahrens (Porsche 917 LH Nr. 25) 115 Runden
6. Lins/Marko (Porsche 908 Nr. 27) 113 Runden
7. Galli/Stommelen (Alfa Romeo T33/3 Nr. 35) 112 Runden
8. Posey/Bucknum (Ferrari 512S Nr. 11)
9. Fierland/Walker (Ferrari 512S Nr. 12)
10. Adamowicz/Parsons (Ferrari 312P Nr. 57)

Weitere Probleme erlitt die Autodelta-Mannschaft, als bei Courage's Auto am Ende der Boxengasse der Sprit ausging! Er parkte sein Fahrzeug und rannte zurück zur Box, um Benzin zum Nachtanken zu holen. Währenddessen musste Galli wegen einer losen Ölpumpe stoppen, die befestigt wurde. Der van Lennep/Piper-Porsche 917 machte nach seinem langen Stop wieder an Boden gut, der Unfall hatte jedoch die vordere Spur verstellt. Als van Lennep übernahm, hatte er nur wenige Runden gedreht, als ihm bei 290 Km/h auf der Mulsanne-Geraden ein Vorderreifen um die Ohren flog und ein Brocken aus der Lauffläche den Flügel zerfetzte. Der Holländer brachte sein Fahrzeug sicher zum Stehen, aber das Auto war zu stark beschädigt, um das Rennen wieder aufzunehmen.

Um 1 Uhr 45 am Morgen erlitt Ferraris letzte und stärkste Hoffnung um den Sieg einen grausamen Schlag. Ickx bremste am Eingang der Ford-Schikane, dicht auf mit dem einzigen Auto, das in diesem Rennen noch vor ihm lag: Der Siffert/Redman-Porsche.. Als beide Autos gleichauf waren, blockierte eine Hinterradbremse am Ferrari und das große rote Auto drehte sich, rutschte über die Sandhügel und traf einen Marshall, der auf der Stelle tot war. Der Ferrari fing kurz Feuer. Ickx hingegen, natürlich völlig geschockt und verstört, blieb unverletzt.
Der Belgier, der beständig und zuverlässig unterwegs war, hätte leicht das Rennen gewinnen können, als er durch dieses Missgeschick ausfiel. Es war letztendlich das Ende der Bemühungen von Ferrari, nach Le Mans zurück zu kommen und zu gewinnen.


DAS RENNEN – TEIL 3

Dichtauf nach diesem Drama ereignete sich bereits das nächste. Das JW Automotive-Team, das unverhältnismäßig früh zwei seiner drei Wagen verloren hatte, war immer noch vorsichtig optimistisch hinsichtlich dem Siffert/Redman-Auto, das in der zehnten Rennstunde nur noch sieben Runden in Front lag. Aber John Wyer sollte ein Hattrick nicht gelingen. Etwa gegen 2 Uhr fuhr Seppi das Auto mit tropfendem Öl auf dem Auspuff und einem Drehzahlmesser an die Box, der 9600 U/min anzeigte… Der sehr enttäuschte Siffert gab an, dass ihm der vierte Gang herausgesprungen sei.

Aber es langen immer noch drei Porsche auf den Plätzen 1 – 3, die beiden Salzburg-Autos von Attwood/Hermann und Elford/Ahrens, getrennt durch den Martini-Langheck von Larousse/Kauhsen. In der 3-Liter Gruppe-6-Kategorie sah Porsche ebenfalls gut aus, der Gesamt-Vierte war der 908 von Lins/Marko mit zwei Runden Vorsprung auf den Alfa von Galli/Stommelen.

Der spanische Ferrari512 S drehte sich und zerknautschte sich übel beim Einschlag in die Leitplanken seine Front. Dieser Umstand und zusätzlich ein defektes Getriebe waren für das Ausscheiden verantwortlich. Der Manfredini/Moretti-512 S, nach dem frühen Getriebe-Drama weit zurück gefallen, rutschte bei Tertre Rouge von der Strecke. Trotz aufwändiger Karosseriearbeiten in der Box musste das Fahrzeug ausscheiden. So waren nun lediglich noch zwei der ursprünglich 11 Ferraris im Rennen, der 312 P des NART-Teams und der ENB Ferrari. Ungeachtet der bereits erlittenen Karosseriebeschädigung schlugen sich ebenfalls Enever und Hedges mit ihrem Healey-Repco tapfer. Durcheinen sehr langen Stop etwa gegen 2 Uhr nachts, um den vierten Gang wieder flott zu bekommen, verloren sie eine Menge Zeit, danach fuhr der Healey aber wieder recht beständig.

Etwa zur Halbzeit des Rennens setzte der Regen erneut ein, stark genug, um die Rundenzeiten erneut drastisch zu reduzieren. Reifenwechsel waren wieder bei allen Teams angesagt. Nach durchlaufenen 12 Stunden Rennen war die offizielle Platzierung:

1. Attwood/Herrmann (Porsche 917 Nr. 23) 176 Runden
2. Larrousse/Kauhsen (Porsche 917 LH Nr. 3) 173 Runden
3. Elford/Ahrens (Porsche 917 LH Nr. 25) 172 Runden
4. Lins/Marko (Porsche 908 Nr. 27) 171 Runden
5. Galli/Stommelen (Alfa Romeo T 33/3 Nr. 35) 166 Runden
6. Posey/Bucknum (Ferrari 512S Nr. 11) 165 Runden
7. Walker/de Fierlandt (Ferrari 512S Nr. 12) 153 Runden
8. Adamowicz/Parsons (Ferrari 312 P Nr. 57) 151 Runden
9. Greder/Rouget (Korvette Nr. 2) 144 Runden
10. Courage/de Adamich (Alfa Romeo T 33/3 Nr. 36) 144 Runden


Der Salzburg-Porsche 917 K führt im Regen

Der Elford/Ahrens-917 zog an seinem Larousse/Kauhsen-Markengefährten vorbei, als der schwere Regen in die Elektrik eindrang und die Warnlampe für die Benzinpumpe aufleuchtete. Courage fiel nach einem zweiten Dreh aus, diesmal auf seinem eigenen Benzin, nachdem der Tankverschluss beim letzten Boxenstop nicht richtig verriegelt war, Das Auto wurde erneut am Heck beschädigt und man benötigte eine weitere Heckverkleidung. Das Auto war jedoch insgesamt nicht sehr gesund und lief während der gesamten Nacht nur auf sieben Zylindern.

In der Zweiliter-Klasse fielen beide Porsche 910 aus, der eine (Rouveyran/Meier) mit Bremsproblemen hinten und der andere (Poirot/Kraus) mit defekter Maschine. Der Skailes/Hine-Chevron konnte kaum noch fahren, weil die Ventilstößel fertig waren. Die hart arbeitende Crew nahm die Nockenwelle heraus, justierte die Distanzplättchen, was etwa 90 Minuten dauerte. Es brachte das Auto aber erneut zum Laufen. Martland fuhr nunmehr fast alleine, weil Baker über eine Magenverstimmung klagte. Der 312 P des NART-Teams drehte sich im Regen und beschädigte seine Karosserie vorne und hinten, somit wurde das Ersatzauto ausgeschlachtet, um die erforderlichen Ersatzteile zu bekommen. Der Wicky/Hanrioud-Porsche 907 brauchte zwei Boxenstops, um seinen festhängenden Gaszug wieder zu lösen. Aber dann fraß er sich bei Tertre Rouge erneut fest und das Auto wickelte sich um die Leitplanken.

Es war eine miserable Dämmerung, der Regen fiel immer noch aus einem bleigrauen Himmel, aber die übermüdeten Fahrer nahmen es gelassen. Gegen 8 Uhr morgens, nach nunmehr 16 Stunden, waren nur noch 24 Autos im Rennen. Kurz vor 8 Uhr hatte Elford Zeit durch einen Boxenstop verloren, um eine sich lösende Frontverkleidung zu befestigen, während die beiden großen Corvette durch verschlafene Boxenstops die Führung in der Gruppe 4 an den erstaunlich gleichmäßig laufenden Sonauto Porsche 914/6 verloren hatten. Die offizielle Reihenfolge war:

1. Attwood/Herrmann (Porsche 917 Nr. 23) 222 Runden
2. Elford/Ahrens (Porsche 917 LH Nr. 25) 219 Runden
3. Lins/Marko (Porsche 908 Nr. 27) 219 Runden
4. Larrousse/Kauhsen (Porsche 917 Nr. 3) 216 Runden
5. Galli/Stommelen (Alfa Romeo T 33/3 Nr. 35) 214 Runden
6. Posey/Bucknum (Ferrari 512S Nr. 11) 210 Runden
7. Walker/de Fierlandt (Ferrari 512S Nr. 12) 195 Runden
8. Adamowicz/Parsons (Ferrari 312 P Nr. 57) 191 Runden
9. Courage/de Adamich (Alfa Romeo T 33/3 Nr. 6) 188 Runden
10. Chasseuil/Ballot-Lena (Porsche 914/6 Nr. 40)

Dann kam ein weiterer Schlag für Porsche. Gegen 8 Uhr 30 war der Elford-Porsche erneut in der Box – ein Einlassventil war gebrochen, das Auto musste weg geschoben werden und nun war der Martini-908 auf Platz zwei.

Nach 9 Uhr am Morgen war die gesamte Alfa-Streitmacht auf einen einzelnen, angeschlagenen Wagen von Courage/de Adamich geschrumpft. Der Galli/Stommelen-Wagen wurde disqualifiziert, als er außenstehende Hilfe annahm, während er mit Ölpumpen-problemen liegen blieb. Der von ständigen Fehlzündungen geplagte NART Ferrari 512 S, welcher nun die gesamte Unterstützung aller unbeschäftigten Werks-Ferrari-Mechaniker bekam, starb nach einem Routinestop komplett ab und brauchte eine Fremdstart-Batterie, um ihm wieder Leben einzuhauchen. Die Offiziellen forderten, dass die stark demolierte Front des Healey besser geflickt werden sollte, was dem Warwick-Auto nun noch mehr Zeit kosten sollte. Der Zweitplatzierte Porsche 908 bekam einen neuen Satz Räder, mit dem man nun versuchte, die Erschütterungen auszumerzen, mit denen das Auto die ganze Nacht über zu tun hatte. Zunächst bekam die Boxenmannschaft die Räder nicht lose, so dass sie den schnellsten deutschen Mechaniker in der Boxengasse finden mussten, damit dieser auf den Radschlüssel springt

Der Martini-917 lief nun ebenfalls deutlich besser und hatte den 908 schnell eingeholt. Beim Martland/Baker-Chevron brach ein Kolbenring – diesmal gab die Mannschaft auf. Der Skailes/Hine-Chevron verbrachte mehr Zeit an der Box als auf der Strecke als man versuchte, dem FVC-Motor mehr Leistung zu entlocken. Gegen 10 Uhr 30 rollte Courage, dessen Auto stetig kränker klang, mit einem komplett toten Motor in die Box. Die Mechaniker konnten die Ursache nicht finden und das Auto wurde weggerollt, um sich zu seinen übrigen ausgefallenen Teamkameraden zu gesellen.

Ein wässriges Sonnenlicht kämpfte sich nun durch die Wolken un d trocknete die Strecke ab. Larousse nutze die sich verbessernden Bedingungen auf der Strecke und schob sich auf Platz zwei am 908 vorbei. Nun gegen Mittag, mit nur noch vier verbleibenden Renn-Stunden, sah die Reihenfolge so aus:

1. Attwood/Herrmann (Porsche 917 Nr. 23) 282 Runden
2. Larrousse/Kauhsen (Porsche 917 LH Nr.3) 277 Runden
3. Lins/Marko (Porsche 908 Nr. 27) 277 Runden
4. Posey/Bucknum (Ferrari 512S Nr. 11) 262 Runden
5. de Fierlandt/Walker (Ferrari 512S Nr. 12) 250 Runden
6. Adamowicz/Parsons (Alfa Romeo T 33/3 Nr. 37) 237 Runden
7. Greder/Rouget (Corvette Nr. 2) 235 Runden
8. Chasseuil/Ballot-Lena (Porsche 914/6 Nr. 40) 234 Runden
9. Koob/Kremer (Porsche 911S Nr. 47) 233 Runden
10. Linge/Williams (Porsche 908 Nr. 29) 232 Runden

Somit lagen die Porsche 917-917-908 vor den Ferrari 512-512-312 in Front, obwohl der Gruppe-6-Ferrari von unheilbaren Fehlzündungen schwer aufgehalten wurde. Man versuchte es mit einem Wechsel aller Zündkerzen und eine zerbrach dabei, was wiederum mehr Zeit kostete, aber das Auto kämpfte weiter. Die Corvette übernahm in der Gruppe 4 die Führung vom Porsche 914, jedoch nur mit einem hauchdünnen Vorsprung. In der Zwischenzeit versicherten sich Attwood und Hermann, dass sie ihren 5 Runden-Vorsprung nicht wegwarfen und drehten ihre Runden sehr vorsichtig mit einer Rundenzeit um die vier Minuten. Somit war das Larousse/Kauhsen-Auto gegenwärtig der schnellste Wagen auf der Strecke.


Porsche 917 Langheck Nr. 3 jagt den Porsche 917 K mit der Nr. 23


DAS RENNEN – TEIL 4

Gegen 12 Uhr 15 schlug das Wetter erneut Kapriolen. Während im Süden der Kurs abtrocknete, flutete ein gigantischer Wolkenbruch die Boxengasse, die Esses und Tertre Rouge, spülte Schlamm von den Straßenrändern auf die Strecke. Die Geschwindigkeiten wurden bis hin zu einem Kriechen reduziert und jeder kam in die Box, um Ultra-Regenreifen aufziehen zu lassen. Das beeinträchtigte die Corvette, die neun Minuten brauchte, um auf Ultra-Regenreifen zu wechseln. Sie verlor damit ihre Führung in der Gruppe 4 an den Porsche 914 und den drittplatzierten Porsche 908. Und noch einmal wurde beim 908 die beim Komödie mit dem dicken Mechaniker aufgeführt, aber er musste geradezu auf das Radkreuz festgeschweißt worden sein! Sie brauchten 10 Minuten, während sie auf das Radkreuz aufsprangen und versuchten, es zu lösen – ohne Erfolg. Die anderen Mechaniker wechselten inzwischen die übrigen drei Räder. Mit dem vierten scheiterten sie schließlich und mussten sich diese Niederlage eingestehen, die Regenreifen wurden weg geräumt und ein verärgerter Rudi Lins rutschte durch die Pfützen die Straße hinauf. Sein Vorsprung auf den NART-Ferrari war jedoch so groß, dass ihm diese Vorstellung keinen Platz gekostet hatte.



Der Lins/Marko-Porsche 908 in der Box beim Wechsel auf Ultra-Regenreifen

Plötzlich hörte es auf zu regnen, die Sonne kam heraus und die Strecke trocknete insgesamt ab, so dass alle erneut zum Reifenwechsel ihre Box ansteuerten. Nun war angesagt, dass jeder sein Auto in der verbleibenden Zeit irgendwie am Laufen hielt. Es gab ein oder zwei ziemlich angeschlagene Autos, die um den Kurs zuckelten, vor allem der Skailes/Hine-Chevron, der ständig in die Box musste und schließlich mit 1 ½ Stunden Rückstand auf der Mulsanne-Geraden stehen blieb. So wie Cosworth offensichtlich nur 4 Renn-Stunden für den FVC-Motor bis zur nächsten Überholung empfahl, so hatte sich der Motor doch gut gehalten!
Der Ferrari 312 wurde ständig von Zünd- und Einspritzproblemen gequält. Es war ständig ein Kampf, ihn nach den Boxenstops wieder zu starten, er kam kaum noch den Berg nach der Boxengasse hinauf. Auf der Mulsanne-Geraden ging es jedoch etwas besser und er lief wenigsten auf 10 seiner 12 Zylinder. Auch der Healey war bei Starten in der Box ziemlich widerspenstig und klang von Zeit zu Zeit ein wenig außergewöhnlich. Einer der 911er, das Swietlik/Lagniez-Auto, hatte ein ernsthaftes Ölproblem, aber kämpfte sich um den Kurs um das Ziel noch zu erreichen.

Die einzige Aufregung in der letzten Stunde stellte das Zurückrunden von Larousse gegenüber Attwood dar, er reduzierte den Vorsprung seines Markenkollegen bis auf fünf Runden. Bereits eine halbe Stunde vor Rennende sammelten sich die Gruppen der Gendarmen, um die Zuschauermengen zusammen zu halten, von den Zuschauern in der üblichen Art mit Buhrufen, Sticheleien und Pfiffen begrüßt. Ein letzter Ausfall war der Healey: Der arme Enever musste mit Zündungsaussetzern zwei Runden vor Schluss am Ende der Mulsanne-Geraden anhalten – ein grausamer Schlag

 

Healey-Repco SR37 (Enever/Hedges)

Der Attwood/Hermann-Porsche überfuhr die Linie kurz vor vier Uhr am Nachmittag und musste eine weitere Runde fahren - eine Neuerung in diesem Jahr. Anstatt die Massen die Strecke überschwemmten, wurden sie diesmal hinter den Absperrungen gehalten. Dickie (Attwood), Hans (Hermann) und Dr. Ferry Porsche wurden auf eine Art kommunalen Reinigungswagen geladen und fuhren eine Ehrenrunde um den Kurs.

Lange nach den beiden 917 und dem 908 kamen die verbliebenen Überlebenden der mächtigen Ferrari-Armada, die privaten NART- und ENB-Autos. Ein verdienter Platz 6 hätte der Corvette sicher sein können und ein Platz 8 für den Kamera-Wagen, als jedoch die Rennleitung das offizielle Ergebnis bekannt gab, beriefen sie sich auf die Regel der Qualifizierungsdistanz. Diese erforderte, dass ein Auto eine bestimmte Distanz zurück zu legen hatte, die man seiner Belastbarkeit zugeschrieben hatte, um in die Endwertung zu gelangen. Weder die Corvette noch der Kamerawagen erfüllten diese Vorgaben. Die Corvette wurde zeitweise durch den starken Regen und das häufige Wechseln von Regen- auf Trockenreifen aufgehalten. Somit wurde der kleine Porsche 914/6, der unglaublich zuverlässig fuhr (er war auf ein und denselben Satz Bremsbelägen und denselben Dunlop-Trockenreifen im gesamten Rennen unterwegs!), zum Gesamt-Sechsten und zum Gewinner der GT-Kategorie erklärt!



Der Sieger in der GT-Klasse, der Porsche 914/6 von Chasseuil/Ballot-Lena,
zieht am 911 T von Verrier/Garant vorbei


Somit hatte Porsche alle drei Kategorien gewonnen. Sie gewannen auch den Leistungs-Index (der Lins/Marko-908) und den Energie-Index, berechnet aus dem Spritverbrauch im Verhältnis zum Tankvolumen (der Larousse/Kauhsen-917 LH). Für den 30-jährigen Attwood und den 42-jährigen Hermann, dessen Rennkarriere bis zum Mercedes-Formel-1-Team aus den 50er Jahren und darüber hinaus reicht, war es wahrscheinlich ein völlig unerwarteter Sieg, der Lohn für beständiges Fahren, nachdem so viele schnellere Teams ausgefallen waren. Für Ferrari – und für das JW-Automotive-Team – war es ein völlig enttäuschendes Rennen. Für Porsche hingegen konnte das Ergebnis gar nicht besser sein, selbst wenn sie einen Rekord durch eine recht niedrige Zuverlässigkeit aufgestellt hatten! Bei ihrem 20. Besuch in Le Mans hatte Porsche auf der ganzen Linie triumphiert!

Die 38. 24 Stunden von Le Mans,
Le Mans, am 13./14. Juni 1970
8. Lauf zur Sportwagenweltmeisterschaft


1. Richard Attwood/Hans Herrmann (4.5 Liter Porsche 917) 2863 miles, 119.29 mph
2. Gerard Larrousse/Willi Kauhsen (5.0 Liter Porsche 917 LH) 2822 miles, 117.59 mph
3. Rudi Lins/Helmut Marko (3.0 Liter Porsche 908/2) 2798 miles, 116.57 mph
4. Sam Posey/Ronnie Bucknum (5.0 Liter Ferrari 512S) 2615 miles, 108.98 mph
5. Hughes de Fierlandt/Alistair Walker (5.0 Liter Ferrari 512S) 2457 miles,
* Henri Greder/Jean-Pierre Rouget (7.0 Liter Chevron Corvette) 2391 miles
6. Claude Ballot-Lena/Guy Chasseuil (2.0 Liter Porsche 914/6) 2381 miles
* Herbert Linge/Jonathan Williams (3.0 Liter Porsche 908/2) 2260 miles
8. Erwin Kremer/Nick Koob (2.3 Liter Porsche 911S) 2256 miles

* Wegen ungenügend zurück gelegter Distanz nicht klassifiziert

Andere nicht klassifizierten Fahrzeuge in der Reihenfolge des Zieleinlaufs:

Parsons/Adamowicz (Ferrari 312P)
Maroy/Mazzia (Porsche 911S)
Verrier/Garant (Porsche 911S)
Parot/Dechaumel (Porsche 911S)
Laurent/Marche (Porsche 911S)
Sweitlik/Lagniez (Porsche911S)

Schnellste Rennrunde:
Vic Elford (Porsche 917 LH) 3:21,0 sec, 149.9 mph Liter

Leistungsindex:
1. Lins/Marko
2. Attwood/Herrmann

Thermische Effizienz-Index:
1. Larrousse/Kauhsen
2. Ballot-Lena/Chasseuil
3. Lins/Marko


Der Siegerwagen, Porsche 917 K des Salzburg-Teams, mit Attwood/Hermann am Steuer




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