Ferrari 312 P Coupé #57


In den letzten Jahren war ich ständig auf der Suche nach dem Modell des Ferrari 312 P Coupé von Dapretto (sau-teuer, so gut wie gar nicht dran zu kommen, oder das alte Aurora-Modell aus den 70ern, ebenso selten, mit Alterszuschlag und Sammlerbonus gleich noch mal teurer, oder das Modell von Lenco, aber auch selten zu erwischen). Nun hat die Suche (endlich!) ein Ende!!! Ein netter Slot-Kollege aus England, Joel Thura, machte mich auf die Neuerscheinung dieses Renners im Maßstab 1:32 von der Firma TKP (Transkit Provence) aufmerksam, das natürlich sofort geordert wurde (Herbst 2005).

Zur Geschichte:
Im Jahr 1969 präsentierte Enzo Ferrari nach einem Jahr Abstinenz in der Markenweltmeisterschaft von 1968 (aus Protest gegen die Hubraumbegrenzung auf 3 Liter) den 312 P als die ultimative Waffe in der Marken-WM. Man nutzte also das Jahr 1968 ohne aktive Rennbeteiligung zur Entwicklung des neuen 3L-V12. Die beiden Prototypen, die in Le Mans 1969 eingesetzt wurden sahen im Training noch recht viel versprechend aus. Piper/Rodriguez auf Chassis 0870, #18, wurden 5., Amon/Schetty auf 0872 (wegen der Wagenpapiere umbenannt in 0868), #19, wurden 7., Im Rennen hingegen lief es für die 312 P alles andere als gut. Rodriguez/Piper gaben in der 19. Stunde mit Getriebeschaden auf, Chris Amon kollidierte bereits am Ende der 1.Runde am Ausgang von Maison Blanche mit dem Porsche 917 LH mit der #10 von John Woolfe, der Feuer gefangen hatte. Der Ferrari wurde stark beschädigt und konnte nicht mehr eingesetzt werden. John Woolfe verlor tragischerweise bei diesem Unfall sein Leben.



1970 wurde der Wagen mit der Chassis-Nr. 0872 nach kleineren Umbauten durch NART-Ferrari erneut an der Sarthe eingesetzt, diesmal mit der Fahrerpaarung Chuck Parsons/Tony Adamovicz. Mit einem enttäuschenden 28. Platz im Training schaffte es der 312 P Berlinetta in der sagenhaften Regenschlacht noch als 10. ins Ziel zu kommen, wurde jedoch wegen ungenügend zurückgelegter Distanz nicht mehr gewertet.





Der Bausatz:
Das Modell von TKP kommt im vorlackierten Zustand in einem sehr sauberen Finish. Der Guss des Resine-Bodys ist sauber, ohne Luftblasen, lediglich an den Rändern der Front bzw. des Hecks sind am unteren Rand 3-4 kleine Luftblasen zu verspachteln.

Die Zubehörteile sind reichhaltig: Gedrehte Alu-Felgen mit Felgenring-Aufsätzen, 5-Stern Gotti-Felgeneinsätze aus Resine (man kann es sich auch einfacher machen und die Felgen des FLY-Ferrari 512 verbauen), Getriebe-/Auspuffattrappe aus Resine, aus gleichem Material ist ein Fahrerkopf und ein (leider) absolut flaches Cockpit-Inlay ohne weitere Details beigefügt. Da der gesamte Wagen aber extrem flach gebaut ist, wusste man sich hier offenbar nicht anders zu helfen. Um der qualvollen Enge zu begegnen, sägte man sogar dem Fahrer noch die obere Hälfte des Helmes ab!



Die Zubehörteile werden durch einen fotogeätzten Wischer, klar gegossene Scheinwerfer aus Resine und eine tiefgezogene Cockpitverglasung ergänzt. Wahlweise liegen sogar tiefgezogenen Scheinwerferverglasungen bei, die aber etwas schwierig anzubringen sind, da das Modell in diesem Bereich keine Ansetzkanten aufweist, die Verglasung somit stumpf zu verkleben sind. Viel Geduld und Fingerspitzengefühl ist dabei notwendig, um die Abdeckungen ohne Klebespuren anzubringen. Der sehr gute und vollständige Decalbogen lässt es zu, die beiden Fahrzeuge aus dem beschriebenen 1969er Le Mans-Rennen umzusetzen. Doch hierzu später mehr.

Um den Wagen auf der Schlitzpiste einzusetzen wird nun noch ein Komplettchassis benötigt. Ich griff wieder einmal auf das bewährte Sidewinder-Fahrwerk des Ferrari 512 S von FLY zurück. Für dieses Fahrwerk sind die seitlichen Haltezapfen nutzbar, im Frontbereich müssen Änderungen vorgenommen werden. Der breite Schraubzapfenblock im Heck des 312 P-Bodys wird für das FLY-Chassis nicht benötigt und wurde weggefräst, um mehr Platz für eine Motor-/Getriebedetaillierung zu bekommen.



Das FLY-Fahrwerk muss lediglich im Frontbereich angepasst werden, der Einfachheit halber (und um Platz zu schaffen) habe ich den kompletten Vorbau des Chassis entfernt.  Da es sehr eng und sehr flach in der Frontpartie des 312 P zugeht, musste ich den Leitkiel nach hinten versetzen, da er ansonsten nicht genügend Spielraum gehabt hätte.  Dazu trennte ich die Leitkielhalterung ab und verlegte sie direkt auf den Punkt der bisherigen vorderen Karosserieschraube. Die Öffnung wurde erweitert und der Halter mit 2K-Kleber befestigt.
Ein neues Loch zwischen der (neuen) Leitkielhalterung und der Grundplattenbefestigung ist nun  notwendig, um die Schraube für den vorderen Schraubzapfen aufzunehmen (s. Bild, genau mittig zwischen den beiden beschriebenen Öffnungen). Ein Kunststoffröhrchen erhielt die notwendige Fixierung mit 2K-Autospachtel. Allerdings gilt es, ein Distanzstück einzufügen, um den richtigen Abstand zum hinteren der beiden Schraubzapfen unter der Fronthaube herzustellen. Die genaue Höhe muss anhand der verwendeten Räder ermittelt werden. Sie sollten satt , aber ohne zu schleifen in die Radhäuser passen. Der vordere Schraubzapfen im 312er Body wird nicht benötigt und weggefräst, um mehr Platz für die Kabel und die Leitkielaufnahme zu haben.




Erst nachdem die Chassis-/Karosseriekombination ihre Feuertaufe in Form diverser Proberunden und Feinabstimmungen bestanden hat und die Spurbreite nötigenfalls mit Distanzstücken angepasst wurde, wenden wir uns nun verstärkt der Karosserie zu. Wie schon gesagt, kann man mit dem Decalbogen die beiden Autos des 69er LM-Rennes bauen. Im Inneren der Karosse ist allerdings der Hinweis „LeMans 69/70“ eingefräst. Da ich den Slotter gerne in meine LeMans1970-Sammlung einfügen möchte, war zunächst einmal Recherche angesagt, ob das denn alles so stimmt...

Hierbei zeigte es sich, dass im 1969er Rennen lediglich das Auto mit der #19 den im Modell wiedergegebenen Heckspoiler trug, das Schwesterauto, die #18, hatte mit Ausnahme der beiden Kühlluftstutzen auf den hinteren Kotflügeln ein glattes Heck. 1970 sah es noch mal ganz anders aus: Hier wurden dem Adamovicz/Parsons-Auto mit der #57 am komplett glatten Heck noch 2 Winglets angetackert, ebenso an den vorderen Kotflügeln, zudem erhielt das Auto Seitenspiegel. Außerdem musste man dem baumlangen Chuck Parsons Rechnung tragen und baute eine „Beule“ auf das Dach, damit der Fahrer halbwegs in den Renner hineinpasste – auf die Optik wurde dabei keine Rücksicht genommen! Also: Heckspoiler und Coolings wegfräsen, glatt schleifen und bei der Gelegenheit das ganze Auto mit 1000er Papier nass anschleifen – schade, denn die Lackierung ist wirklich Klasse!


vorher

nachher

An den vorderen Kotflügeln mit einem Minikreissägeblatt einen Schlitz einschneiden, die Flaps aus Rahmen-Resten von Fotoätz-Material zuschneiden mit Sekundenkleber einkleben und in Form schleifen. Mögliche Lücken verspachtelt man am besten mit 2K-Autospachtel. Die hinteren Winglets wurden aus dem gleichen Material zugeschnitten, angepasst, zurechtgebogen und von der Unterseite des Hecks her verklebt.






Die „Beule“ auf dem Dach stammt aus Teilen meiner Grabbelkiste (wie gut, dass ich nie etwas wegwerfe, und das schon seit den 60er Jahren!). Hier bekamen zwei vordere Hälften von 1:72er Treibstofftanks aus einem Flugzeugbausatz einen neuen und friedlicheren Einsatzzweck. Sie wurden passend zurecht geschliffen und mit Sekundenkleber befestigt. Die beiden Außenspiegel auf den Kotflügeln stammen aus dem Ersatzteilbereich von FLY für die Ferrari 512 S.



Nach der Neulackierung brachte ich ein wenig Detaillierung im Heck an, da es doch ziemlich viel Einblick gewährt. Mir war die beigefügte kleine Getriebe-/ Auspuffattrappe zu klein und verdeckte mir nicht genug. Somit kamen Reste der Getriebebauteile von einem FLY-Chevron zum Einsatz, insbesondere die Rahmenverstrebungen und die Federung bereichern das Modell sehr.
Im Innenraum kam ein Fahrer von FLY als „Halbfigur“ zum Einsatz, der schlicht und einfach auf zurecht geschnittene Plastikplatten platziert wurde. Dabei habe ich die Armaturenabdeckung des Bausatzes verwendet, sie wurde jedoch quasi am Armaturenbrett gekürzt.



Das Fahrzeug, welches ihr hier abgebildet seht, habe ich aber zwischenzeitlich an einen begeisterten Le Mans-1970-Fan verkauft. Für meine eigene Sammlung musste ich mir den Kit also nochmal neu aufbauen (August 2006) und habe dabei die Mühe nicht gescheut, das Cockpit diesmal vollplastisch zu realisieren! Eine Heidenarbeit! Zum Einsatz kam ein Cockpit aus einem Porsche 908 von FLY (siehe Bild unten), das ich noch übrig hatte. Hinter den Fahrersitz wurde ein Brandschott aus Plastiksheet eingepasst, der Sitz selbst ausgeschnitten, um den Fahrer tiefer hinein rutschen zu lassen. dennoch musste ich (wie im Vorbild!) das Dach über dem Fahrerhelm, quasi in die "Beule" hinein, ausfräsen, um dem  Herrn am Volant Platz zu machen. Dessen Arme wurden in der passenden Haltung neu am Körper angesetzt, so dass sie das Lenkrad auch tatsächlich umfassen. Das Lenkrad selbst klebte ich von unten an die Armaturenabdeckung aus dem Bausatz. Gut zu sehen ist auch die modifizierte Aufhängungs-, Motor- und Getriebeatrappe, die wie bei der ersten Version des 312 P von einem FLY-Chevron stammt.



Nach dem Anbringend der Decals (aus DMC- und Virages-Bögen, Teile auch aus der Grabbelkiste) wurde der Renner mit MiPa-2K-Lack behandelt. Die Scheibenverglasungen zum Abschluss passen ziemlich schlecht, da sie wenig konturiert, eher flach ausgebildet sind. Am besten schneidet man sie einzeln so zu, dass sie minimal auf den Rädern der Scheinwerfervertiefungen aufliegen und verklebt sie sehr vorsichtig und sparsam mit 2K-Kleber. Als Alternative wären die Epoxydharz-Scheinwerfer zu verwenden, hier ist die bündige Einpassung in die Kotflügel zwar schon vorgegeben, ich habe jedoch auf ihre Verwendung verzichtet. Zu wenig ausgeformt ist die Aussparung auf der Rückseite, die mit silberner Farbe gefüllt werden soll, um den Scheinwerfer anzudeuten. Auch nach einer Klarlackbehandlung vor dem Einbau der beiden Bauteile bekommt man nicht die notwendige Transparenz, um dem „Gesicht“ des 312 P Ausdruck zu verleihen. Ich ging einen Schritt weiter und spendierte dem 312er die Zusatzscheinwerfer eines Porsche 917 K, die tief eingesetzt wurden, da dem Bausatz keine Scheinwerfer beilagen. So erscheint die Front mit den klaren Scheinwerferabdeckungen sehr realistisch. In meinen zweiten Version des Kits waren allerdings sehr schöne Scheinwerfer beigefügt, so dass ich nicht nochmal bei einem 917er räubern musste...



Bei meinem Neubau sitzt nun wenigsten die Frontscheibe bündig mit dem Rahmen, was mir bei der hier im Artikel gezeigten ersten Version nicht so gut gelang...

Alles in Allem ein sehr seltenes Fahrzeug, was einen guten Gesamteindruck hinterlässt. Mit dem modifizierten FLY-512er-Fahrwerk lassen sich sehr ordentliche Rundenzeiten erzielen, aber wer will mit dem mühsam fertig gestellten Boliden noch ernsthaft auf Bestzeitenjagd gehen?
Auch wäre es günstiger gewesen, die Formenbauer von TKP hätten das Auto ohne Heckspoiler modelliert, die Spoiler, Coolings, Flaps und die „Beule“ fürs Dach einzeln beigefügt, so dass aus einem einzigen Bausatz 3 verschieden Autos – und das vorbildgerecht! – hätten gebaut werden können. Mir zumindest erscheint ein solches Vorgehen logischer, auch ökonomischer und hätte neben einem (etwas) umfangreicheren Decalbogen nur wenig Mühe in der Herstellung der Kleinteile bedurft. Vielleicht denken die Konstrukteure beim nächsten Auto einmal daran.



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