Porsche 906 / Carrera 6 Langheck

Le Mans 1966 – wie ein Kinofilm das Hobby befeuern kann

Die 24 Stunden von Le Mans als eines der bedeutendsten Rennen weltweit haben mich – wie sicher viele von euch ebenfalls – schon seit Jahrzehnten interessiert. Einen gewissen modellbauerischen Höhepunkt in meiner Bastelwerkstatt erfuhr dieses Thema, als ich vor einigen Jahren das komplette Starterfeld des 1970er Rennens zusammentrug, viele Fahrzeuge davon im Eigenbau oder als Repaint. Insbesondere bei den damals privat eingesetzten 2,0- und 2,2-Liter Porsche 911 war dies ein mühseliges, aber sehr lohnenswerte Unterfangen, wovon ich seinerzeit auch in der Car-on-Line, dem deutschen Slotcar-Magazin (COL) berichtet hatte.


Als im vergangenen Herbst der Hollywood-Streifen „Ford vs Ferrari“ in den Kinos anlief, war mir noch gar nicht so klar, welche Auswirkungen sich daraus auf mein Hobby ergeben könnten. Erst nach dem Film, durch einige Gespräche mit meinem Slotcar-Freund Karsten Löchert aus Berlin entstand die Idee, auch dieses Starterfeld im Maßstab 1:32 auf die Bahn zu bringen!

Eine stattliche Anzahl der gestarteten Wagen machten seinerzeit die Ford GT40 aus, die es allesamt von unterschiedlichen Herstellern zu erstehen gibt. An dieser Stelle möchte ich mein Augenmerk aber auf einen anderen Fahrzeugtyp lenken: Den Porsche Carrera 6 Langheck.

Nach dem Motto „Woher nehmen, wenn nicht stehlen“ lief ich eine gewisse Zeit dem vor Jahren erschienenen Resine-Kit aus dem Hause MMK/TKP nach. Illusorisch, solch ein Modell noch zu ergattern – und darüber hinaus starteten 1966 ja drei (!) dieser Carrera-6-Varianten, allesamt in hervorragender Platzierung auf den Rängen 4 bis 6 mit den Fahrer-Paarungen Siffert/Davis (#30, blauer Frontdeckel und Seitenkästen), Herrmann/Linge (#31, rot) und Schütz/de Klerk (#32, gelb).

Überrascht wurde ich durch den interessanten Bau eines 906 Langheck von Claus aus München, den er im Scratchbuilder-Forum https://scratchbuilt.iphpbb3.com/forum/94048463nx42111/1-32-scratchbuilt-slotcars-f2/porsche-906-carrera-langheck-lm1966-t3412.html vorstellte. Jedoch schien es hinsichtlich des Baufortschritts nicht mehr möglich zu sein, einen Abguss des Modells zu nehmen. Claus stützt sich dabei auf einen Umbau auf Fleischmann-Basis. Die Diskussionen im Forum drehten sich in der Folge um die Frage nach der Massstäblichkeit des Carrera 6 LH und der jeweiligen Ausgangsform des Modells, welches man für den Umbau herziehen sollte. Mir kam jedoch die Idee, auf Basis des FLY-Modells vom Carrera 6 Coupé eine eigene Langheck-Version zu entwickeln. Natürlich war mir klar, dass die FLY-Miniatur ein wenig zu „moppelig“ daherkam – aber dennoch. Meine Überlegung ging in die Richtung, dass es lediglich eines FLY-Modells als Spender bedurfte, um dessen kompletten Anbauteile einschließlich des Chassis und der Technik zu verwenden, die man schließlich in die Langheck-Karosserie einsetzt. Auch preisliche Aspekte spielten dabei eine Rolle. Zwar gibt es bei Frankenslot/Slotcar-Factory die Karosserie (oder auch das Komplett-Modell) des Carrera 6 in der Kurzheck-Version aus den alten Fleischmann-Formen, welches wohl relativ gut im Maßstab gehalten ist. Für mich war es aber schlüssiger, auf der Basis von FLY mein Projekt zu verwirklichen. Schließlich hatte ich bereits einige andere Modelle aus dem 66er Rennen in meiner Sammlung, unter anderem die Ferrari 275 GTB von Racer, zwei echt gesuchte Raritäten. Dass die Racer-Modelle übergroß ausfallen, wurde in der Car-On-Line  schon mehrfach besprochen. Nun stelle man sich aber einen maßstäblichen Carrera 6 Langheck auf Fleischmann-Basis neben einem Racer-Ferrari vor - für mich indiskutabel.

Im Folgenden beschreibe ich die Schritte, die notwendig waren, um aus einem Carrera-6-Coupé von FLY die Langheck-Version zu bauen. Diesen Bericht findet ihr auch (in verkürzter Form) in der aktuellen COL  03/2020, Seite 34 - 36:

Mutig trennte ich zunächst den Heckspiegel von der übrigen Karosserie. Daran klebte ich drei Polystyrolstreifen mit 1 mm Stärke im Winkel an. Nun galt es, die Länge des Hecks zu ermitteln, was sich als ein wenig schwierig erwies, da das gesamte Modell ja nicht maßstäblich war. Ich konnte somit kaum auf Originalabmessungen zurückgreifen. Daher beschränkte ich mich auf rein optische Vergleiche mit meinen Vorbildfotos der Langheck-906er, was nach zwei Fehlversuchen schließlich zu einem recht passablen Ergebnis führte. Hier waren das Verspachteln und Verschleifen noch die einfachsten Übungen. Zudem galt es, die etwas tiefer heruntergezogenen hinteren Radhäuser mit PS-Material aufzufüttern.

 






Bei der beim Langheck abgeänderten Front wurde es bereits ein wenig kniffliger. Zunächst einmal: Coupé-Nase ab! Der Radius der Verlängerung war recht schnell zu ermitteln, wie sollte aber dort der Einlauf für den Ölkühler untergebracht werden? Massiv arbeiten und später ausbohren? Viel zu ungenau, wenn man es wie ich frei Hand machen muss. So klebte ich zwischen zwei 1 mm starke PS-Platten den Radius des Frontbogens aus 2mm starken Platten, dem ich das Mittelstück mit 1,3 mm Breite heraustrennte. Das so gewonnene „Sandwich“ galt es im korrekten Winkel an die Karosserie zu kleben, zu verspachteln und in Form zu schleifen. Auch hierbei orientierte ich mich an meinen Vorbildfotos. Die runden Öffnungen für die Bremsscheibenbelüftung bohrte ich später mit einem 1,5 mm Bohrer auf. Auf der Heckkante zeichnete ich die Positionen für die „Guerney-Flaps“ an und gravierte sie mit einem scharfen Skalpell.












 

Die Unterseite des Hecks wollte ich jedoch nicht so offen lassen und Einblicke in die „Eingeweide“ des Langheck-906 gewähren. Aus 1,5 mm PS-Material schnitt und schliff ich eine Abdeckplatte zu, die durch einen weiteren Aufsatz mit abgerundeten Ecken ergänzt wurde. Diese aufgesetzte Platte kann man auf einigen Vorbildern erkennen.

 




Mit dem Ergebnis des Umbaus war ich recht zufrieden – und nun? Noch zweimal den gleichen Umbau vornehmen? Und was ist mit Karsten aus Berlin? Der wollte ebenfalls gerne seine drei Langheck-906 haben. Also gut, Mein Umbau soll als Urmodell für einen Formenbau und Abgüssen dienen. Das wird sicher teuer! Dank meiner sehr verständnisvollen Gattin bekam ich für diesen Schritt meines Projekts „grünes Licht“. Meine Anfrage im Scratchbuilder-Forum nach einem Resine-Sachverständigen zündete nicht so wirklich, da die meisten Kollegen, die Erfahrung mit Formenbau und Resineguss-Technik haben, sich entweder an das Projekt nicht herantrauten oder keine Kapazitäten hatten. Der entscheidende Tipp kam schließlich von Alexander Ehl, dem Herausgeber und Chef der Car-On-Line, an den ich mich hilfesuchend gewendet hatte. Er empfahl mir Michael Wolter von der Fa. Tin Wizard. Dort werden zwar im Wesentlichen präzise Metallmodelle im Maßstab 1:43 hergestellt, Herr Wolter übernimmt aber auch Auftragsarbeiten zum Resineguss. Sehr schnell wurden wir uns einig und mein eingeschicktes Urmodell bedurfte nur an wenigen Stellen einer kleinen Korrektur (z.B. der Lufteinlauf vorne), die Herrn Wolter das Anfertigen einer Form erleichterte.







Die ersten fünf gegossenen Modelle, die mir zugeschickt wurden, haben mich total begeistert! Extrem sauberer Guss, sehr schön dünn und mit allen Details! Die Originalkarosse des C6 von FLY wiegt inklusive der Seitenkästen und des Frontdeckels 14g, meine Langheck-Version bringt es gerade mal auf 21g. Bei diesen fünf Karosserien fand ich lediglich bei zweien einen kleinen Gussfehler in Form einer sehr kleinen Luftblase. Exzellente Arbeit! Die Schraubzapfen wollte ich jedoch nicht so ohne Weiteres anbohren und die FLY-Karosserieschrauben einsetzen, die Gefahr eines Einreißens war mir zu groß. Seit Jahren arbeite ich hier nach der Methode von Frank Haseloff und klebe in die Schraubzapfen die Isolierung von 3x1,5 NYM Stromkabel ein. In der Folge verwende ich dann nicht mehr die zu starken Originalschrauben, sondern drehe M2x6er Schrauben ein.



 

Die Gurney-Flaps auf dem Langheck realisierte ich aus 0,5 mm starkem PS-Material. Zwei Stückchen mit 4 x 8 mm Abmessungen, am rückwärtigen Ende mit abgerundeten Ecken versehen, ergaben die mehr Anpressdruck versprechenden Klappen. Ich habe sie mit dünnen Streifchen PE-Materials gemäß den Vorbildern am Heck abgestützt.

 

Einen kleinen „Wermutstropfen“ gab es dennoch, auf den mich Herr Wolter bereits im Vorfeld hinwies: Die kleinen seitlichen Stäbchen, auf die man die Seitenkästen beim FLY-Original steckt, würden die Ausformung kaum unbeschadet überstehen. Sie sind einfach zu dünn und brechen ab. Die Befestigung der Seitenkästen an der Karosserie erfolgte in meinem Fall durch einen schmalen PS-Streifen, den ich beim ersten Modell mit Sekundenkleber an die Karosserieinnenseite, beim nächsten jedoch direkt innen an den Seitenkasten klebte. Die zweite Variante erwies sich als sinniger, hier hat man gleich die korrekte Länge und die Position vor Augen, die man für den Streifen benötigt. An den beiden Stützen der Seitenkästen, die im Original die dünnen Stäbchen der Karosserie aufnehmen würden, klebte ich jeweils 1,5 mm starke Plättchen mit etwa 2x2 mm Kantenlänge. Somit werden die Seitenkästen stabil im Inneren der Karosserie abgestützt.

 




Der anschließende Paint Job war schon wieder Routine. Zunächst ging es mit der Karosserie über Nacht in ein Bad mit Spülmittel. Danach bereite ich meine Resine-Karosserien auf die Lackierung vor, indem ich sie mit einer alten Zahnbürste und einem Flüssig-Scheuermittel abbürste. Seit Jahren verwende ich zur Lackierung Spraydosen von DUPLI aus dem Kfz-Bereich. Sowohl die hier verwendete weiße Grundierung als auch der glänzende Decklack kommen von diesem Hersteller.

 





Während der Trocknungsphase der Karosserie wandte ich mich einer kleinen Abänderung des Chassis zu. Bedingt durch die tiefer gezogenen hinteren Radausschnitte musste die Hinterachse in ihrer Breite um 1,5 mm gekürzt werden, weil sonst die Reifen im Radhaus schleifen würden. Dazu trennte ich am Achszahnrad den Kunststoff-Ansatz ab und kürzte  mit dem Trennschleifer die Achse. Um zusätzlich ein wenig mehr Spielraum zu bekommen, beschnitt ich mit einem scharfen Skalpell die Achsaufnahme der zweiten Felge. So schleift und stört nichts mehr den Lauf der Hinterachse im umgebauten Langheck.

 

Passend zu den jeweiligen Fahrzeugen spendierte ich den Fahrerfiguren die korrekten Helmfarben: #30 Jo Siffert, #31 Hans Herrmann und # 32 Udo Schütz. Schließlich werden alle Anbauteile des Spender-Carrera 6 in die Langheck-Karosserie eingesetzt und mit 2K-Kleber befestigt.

Als ein „Fettnäpfchen erwiesen sich allerdings die Frontscheinwerfereinsätze, die ich zunächst 1:1 vom Spender-Coupé übernommen hatte – Fehler! Denn es gibt auch hier einen kleinen, nicht ganz unwesentlichen Unterschied zwischen der Langheck- und der Coupé-Version des Carrera 6: Weist das Coupé in der Originalversion von FLY jeweils einen runden und einen darunter sitzenden rechteckigen Scheinwerfer im Gehäuse auf, so wurden bei der Langheck-Version zwei runde Leuchten verwendet. Die Blinker wanderten gleichzeitig an die Gehäuseinnenseite und nicht mehr zwischen die beiden Hauptscheinwerfer. Nachdem ich „Lehrgeld“ zahlen musste, wurde auch dieser Aspekt bei meinen folgenden Bauten berücksichtigt.

 




Ich habe beim originalen Scheinwerfergehäuse die verbauten Lampen entfernt, die Blinker samt Träger herausgeschnitten, den Lampentopf des oberen Scheinwerfers verspachtelt und abschließend zwei verspiegelte Scheinwerferlinsen mit 3,5 mm Durchmesser von der Fa. Tin Wizard eingesetzt. So korrigiert wurden die Scheinwerfer in die neue Langheck-Karosserie eingeklebt. Hier seht ihr Versuche mit Scheinwerferlinsen verschiedenen Durchemessers, auch eine Version mit zwei original FLY-Scheinwerfern (links), die mich aber nicht zufriedenstellen konnte.

Hier nun das fertige Ergebnis, mit dem ich mehr als zufrieden bin, zunächst einmal die #30, das Auto von Siffert/Davis:






Im Folgenden ein paar Impressionen dieser denkwürdigen Boliden aus dem 1966er Rennen auf meiner Bahn, eingerahmt durch ihre Mitstreiter der damaligen Zeit, die ihr alle ebenfalls auf dieser Seite findet:









Eine Farbvariante zu den weißen Le Mans-1966-Boliden könnt ihr hier sehen!


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